Interview mit Hubert Reyers Der Wetterfrosch vom Niederrhein

Niederrhein · Er selbst beschreibt sich als Hobbymeteorologen. Hubert Reyers (52) zeichnet seitdem er neun Jahre alt ist, das lokale Wetter auf.

 Hubert Reyers aus Kleve zeichnet das Niederrhein-Wetter auf.

Hubert Reyers aus Kleve zeichnet das Niederrhein-Wetter auf.

Foto: van Offern

Im Norden sagt man dazu „Schietwetter“. Es ist ein regnerischer Tag im Dezember, als wir Hubert Reyers treffen.

Herr Reyers, wie wird das Wetter 2020?

Hubert Reyers Das kann ich nicht vorhersagen. Was ich wohl sagen kann, ist, dass wir uns in einer rasch aufwärmenden Atmosphäre befinden. Und damit meine ich die nächsten 100 Jahre. Meine Aufzeichnungen reichen mehr als 40 Jahre zurück. Seitdem tut sich was, die Temperaturen steigen. 2018 war es in Kleve 1,5 Grad zu warm, 2019 1,3 Grad. Es ist also unwahrscheinlich, dass wir ein kaltes Jahr bekommen.

Ein bis 1,5 Grad zu warm – wie genau berechnen Sie das?

Reyers Seit dem 3. März 1977, damals war ich neun Jahre alt, zeichne ich Tag für Tag das Wetter auf und vergleiche diese Daten auch mit anderen Stationen. Damals lag der Jahresdurchschnitt bei 9,8/9,9 Grad. Heute sind es ein bis 1,5 Grad mehr.

Was machen diese Daten mit Ihnen? Was meinen Sie, wie ist es um unsere Umwelt bestellt?

Reyers Ich mache seit einem halben Jahr bei der Umweltbewegung „Fridays for Future“ mit. Das sagt schon viel aus, oder?

Was macht Ihnen Sorge?

Reyers Die Klimaveränderungen machen mich ängstlich, zumindest aber stutzig. Die Temperaturgegensätze werden schwächer, der Jetstream wird schwächer, dadurch halten sich die Wetterlagen länger. Wir bekommen blockierende Hochs und Tiefs, die nicht mehr dagegen ankommen. Die Sommer werden trockener, die Winter nasser. Nicht nur als Landwirt macht mir das Sorgen. Das ist einfach schlecht für unsere gemäßigten Breiten, in denen es zu jeder Jahreszeit regnen müsste. Die Erträge werden weniger, Wälder sterben. Nicht nur die Tannen-, sondern auch die Buchen- und Eichenwälder. Ich will keine Angst machen, aber wir erleben gerade, was mit unserer Umwelt bei einem bis 1,5 Grad Erwärmung geschieht. Wir verkraften vielleicht auch eine Zwei-Grad-Erwärmung, aber drei bis vier Grad bis zum Ende des Jahrhunderts, das ist zu viel. Wir müssen CO2, Kohlenstoffdioxid, einsparen. Kurz gesagt: Der Klimawandel ist der größte Freilandversuch, den die Menschheit je gemacht hat. 30 Jahre lang ist nichts geschehen. Meine Generation hat es verpennt.

Was tun Sie persönlich?

Reyers Ich fliege nicht und habe auch kein eigenes Auto. Ich teile mir eins mit meinen Eltern. Die meisten Fahrten erledige ich mit dem Fahrrad. Auch habe ich keine 23 Grad im Wohnzimmer. Das ist mein Beitrag. Wichtig ist, dass die Erkenntnis „Wir müssen jetzt etwas tun“ in den Köpfen der Menschen ankommt.

Herr Reyers, wie kommt ein acht, neun Jahre alter Junge eigentlich dazu, das Wetter aufzuzeichnen?

Reyers Ich bin hier auf dem Hof groß geworden. In der Landwirtschaft hat man täglich mit dem Wetter zu tun. Das hat mich fasziniert.

Was fasziniert Sie denn am Wetter?

Reyers Der ständige Wandel. Es ist immer etwas Neues. Und wenn wir stabile Lagen haben, schaue ich gerne in die Region, in die Welt. Und immer, wenn irgendwo ein Sturm aufzieht, frage ich mich: Was kann man tun? Vielleicht auch einfach mal zuhause bleiben. Es muss nicht immer alles möglich gemacht werden.

Inwiefern hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Jahre verändert?

Reyers Als kleines Kind habe ich den Regen in einem Eimer aufgefangen, einen Kreis mit der Bewölkung gemalt, mein Vater hat mir bei den Winden geholfen. Später bekam ich einen Regenmesser und ein sogenanntes Minimaxthermometer. Das war für mich eine große Errungenschaft. Eine Sensation. Jeden Abend habe ich alles aufgeschrieben.

Und heute?

Reyers In den 90er Jahren habe ich meine erste Wetterstation bekommen. Mittlerweile steht die fünfte Generation auf meinem Dach. Sie zeichnet alle sechs Minuten das Wetter auf. Das heißt: die Temperatur, die Bewölkung, den Luftdruck, den Niederschlag sowie die Windstärke und die Windrichtung. Ich selbst werte seit dem Jahr 2000 Wettermodelle aus. Mindestens zweimal, meistens aber dreimal am Tag aktualisiere ich meine Vorhersage.

Mit Erfolg. Viele schauen bei Ihnen nach, wie das Wetter wird.

Reyers Ich verzeichne etwa 10.000 Klicks pro Tag. Bei Sturm und Gewitter sind es sogar bis zu 40.000 Klicks.

Woher stammen Ihre Nutzer?

Reyers Das kann ich nur anhand der zahlreichen E-Mails oder Telefonate auswerten. Hauptsächlich aus dem Kreis Kleve und vom Niederrhein. Ich habe aber auch Zuschriften aus dem Ruhrgebiet oder aus dem Bergischen.

Schauen Sie auch aufs Wetter, bevor Sie aus dem Haus gehen?

Reyers Ja, als Landwirt und Fahrradfahrer sowieso.

Haben Sie ein Lieblingswetter?

Reyers Ich mag offenes Wetter mit Sonne und Quellwolken am Himmel, am liebsten Frühlingswetter, wenn die Vegetation erwacht.

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