Moers "Integration dauert bis zu sieben Jahre"

Moers · Als eine der ersten Handwerkerschaften in Deutschland kümmerten sich die Duisburger um junge Flüchtlinge. Inzwischen arbeiten zehn von ihnen an einer Umschulung zum Anlagetechniker im Sanitär- und Heizungsbereich.

 Die Teilnehmer der Umschulung haben auch an einem Deutschkurs teilgenommen. Im Landtag erhielten sie dafür im September 2015 ein Zertifikat.

Die Teilnehmer der Umschulung haben auch an einem Deutschkurs teilgenommen. Im Landtag erhielten sie dafür im September 2015 ein Zertifikat.

Foto: Landtag

Frank Bruxmeier ist in Sachen Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt einer der Vorreiter in Deutschland. Als die große Auswanderungswelle in Syrien gerade erst anlief, stellte der Geschäftsführer des Bildungszentrums des Handwerks bereits sein erstes wegweisendes Projekt vor: 16 junge Flüchtlinge aus Moers und Duisburg, die der "Bunte Tisch" in Moers empfohlen hatte, sollten einen Sprachkurs absolvieren und danach eine Umschulung zum Anlagenmechaniker für Heizung-, Sanitär und Klimatechnik. Tatsächlich starteten zehn von ihnen im vergangenen Jahr die anspruchsvolle Ausbildung. Bis heute sind alle an Bord geblieben.

Eigentlich ein Grund für Bruxmeier zufrieden zu sein, zumal er auch noch voll des Lobes für die jungen Männer ist: "Im Gegensatz zu manchen deutschen Langzeitarbeitslosen, mit denen wir es hier zu tun haben, sind alle hoch motiviert", sagt er. "Einigen haben ihre Arbeitgeber sogar die Übernahme in Aussicht gestellt, sollten sie den Gesellenbrief schaffen."

Doch die Chancen, die strengen Prüfungen im nächsten Jahr bestehen zu können, schätzt er nüchtern ein. "Im praktischen Bereich sollte das hinhauen, aber in der Theorie sehe ich noch große Defizite. Es ist nämlich keinesfalls so, dass hier nur ausgebildete Astrophysiker nach Deutschland kommen. Viele haben nur eine rudimentäre Schulbildung in ihrer Heimat genossen." Da ist zum einen das Erlernen der deutschen Sprache. Zwar schafften es viele Flüchtlinge inzwischen, sich auf Deutsch mehr oder weniger gut verständlich zu machen. "Ein fachbezogenes Gespräch mit Kunden zu führen, überfordert die Flüchtlinge aber noch deutlich", sagt Bruxmeier.

Ähnliche Probleme gebe es in der Mathematik. Auch dort seien die Defizite erheblich. "In Eritrea etwa", sagt Bruxmeier, "sitzen Kinder sechs Jahre lang in Klassen mit bis zu 80 Mitschülern. Entsprechend ist der Lernerfolg." Da tröstet es wenig, wenn manche Flüchtlinge in der Lage sind, das Versäumte schnell nachzuholen. "Wir haben hier einen jungen Mann aus Guinea. Der hatte überhaupt keine Schulbildung. Inzwischen ist er in Mathematik ziemlich gut."

Aber auch bei denen, die in ihren Heimatländern zur Schule gegangen sind, stoßen die Ausbilder auf Defizite in der Lernkompetenz. Bruxmeier: "In vielen Ländern ist das sture Auswendiglernen noch üblich. Die sind es nicht gewohnt, nur eine Formel zu lernen und die dann auf bestimmte Fälle anzuwenden."

Aus seinen Erfahrungen zieht Bruxmeier einen Schluss: "Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Integration deutlich länger dauert, als bislang gedacht." Bis die Flüchtlinge, die jetzt nach Deutschland eingewandert sind, "nachhaltig in Arbeit kommen, wird ein Zeitraum von fünf bis sieben Jahren vergehen."

Für Bruxmeier folgt daraus der gesellschaftspolitische Auftrag, sich noch intensiver um die Bildung der Flüchtlinge zu kümmern. "Man müsste beispielsweise in den Kursen statt einen, zwei Lehrer einsetzen, die sich dann auch um die individuellen Probleme kümmern können."

Eine Prognose, ob die zehn Flüchtlinge trotz der Schwierigkeiten die Gesellenprüfung in einem Jahr ablegen werden, mag Bruxmeier nicht abgeben: "In einem Jahr kann viel passieren und durch Motivation und Engagement lässt sich Vieles kompensieren."

(RP)
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