Moers In der Stadtkirche erklingt der Klezmer

Moers · Markus Reinhardt und seine Mitmusiker brachten die Zuhörer mit musikalischem Pfeffer so richtig in Schwung.

 Schon nach wenigen Takten des unverkennbaren Ensemble-Sounds wippten die Zuhörer in der Stadtkirche mit den Füßen im Takt und nickten sich zu, genau diese Musik hatten sie erwartet.

Schon nach wenigen Takten des unverkennbaren Ensemble-Sounds wippten die Zuhörer in der Stadtkirche mit den Füßen im Takt und nickten sich zu, genau diese Musik hatten sie erwartet.

Foto: K. Dieker

Seit es gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstmals serviert wurde, entwickelte sich das Zigeunerschnitzel zu einem der beliebtesten Gerichte in deutschen Küchen. In Zeiten der "political correctness" allerdings darf man den Imbissbuden-Klassiker nicht mehr bei seinem ursprünglichen Namen nennen. Wenn der Kölner Musiker Markus Reinhardt ein Konzertprogramm unter den provokanten Titel "Zigeunerschnitzel" stellt, ist das einerseits gewagt, zeugt andererseits aber auch von einem gesunden Selbstbewusstsein. Denn Markus Reinhardt, ein Großneffe des legendären Jazzgitarristen Django Reinhardt, ist Zigeuner - und er ist stolz darauf. "Natürlich darf man Zigeuner sagen", hat der Geiger einmal in einem Interview erklärt. "Was soll man sonst sagen? Sinti und Roma? Das würde es nicht treffen... Das deutsche Wort ist im Dritten Reich negativ besetzt worden. Aber es bleibt das deutsche Wort für uns."

So durfte das Publikum in der vollbesetzten Stadtkirche also getrost und ohne jegliche Vorbehalte am Sonntagnachmittag musikalisches Zigeunerschnitzel genießen - serviert von Markus Reinhardt und seinem Ensemble und, wie es sich für ein deftiges Zigeunerschnitzel gehört, übergossen mit ganz viel Soße. Im vergangenen Jahr hat das Quartett unter dem gleichen Titel schon einmal aufgetischt, damals gab es Operettenmelodien, Schlager und Zigeunerweisen. Diesmal wollte Reinhardt eine andere Mixtur servieren. "Wir waren auf Tournee und haben eine Mischung aus Czardas, Klezmer, Swing und anderem mitgebracht. Wir machen heute Sachen, die wir sonst nicht so machen." Schon nach wenigen Takten des unverkennbaren Ensemble-Sounds wippten die Zuhörer mit den Füßen im Takt und nickten sich zu, genau diese Musik hatten sie erwartet. Als einen Höhepunkt im Programm kündigte Reinhardt "was ganz anderes an, Lieder von einer Sängerin, die in Deutschland ganz bekannt war und die zu uns eine enge Beziehung hatte". Den Namen der Sängerin sollte das Publikum selbst erraten, und das erste Lied war kaum angestimmt, als er durch die Kirche geraunt wurde: Hildegard Knef. Als Interpretin hatte Reinhardt auch diesmal die Moerser Sängerin Stella-Louise Göke gewählt, die sich vom Chansongesang bis zum gut sitzenden Koloratursopran mit enormer dramatischer Bandbreite mächtig ins Zeug legte und das Publikum begeisterte. Danach gab es "noch was ganz anderes", einen Klassiker der überlieferten Zigeunermusik. "Die Alten", erklärte Reinhardt, "sind unsere Bücher, so wird unsere Musik weitergegeben. Im ersten Teil des Stücks werden alle heulen, im zweiten alle klatschen und im dritten stehen alle auf und tanzen." Das mit dem Heulen und Tanzen klappte weniger gut, aber das mit dem Klatschen dafür umso besser. Stürmischer Beifall für alle Beteiligten.

(RP)
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