Moers In der Küche wird über die Liebe philosophiert

Moers · Nicht alle fanden Platz in der Küche, die am Sonntag zur Kaffeezeit zur Küchenlesung in die SCI-Barbaraschule in Meerbeck gekommen waren. "Mit so einem Andrang haben wir gar nicht gerechnet", freuten sich Frank Liebert und Anja Reutlinger als Mitorganisatoren des Meerbecker Frühlings.

 Matthias Heße und Lena Entezami lasen aus Julian Barnes.

Matthias Heße und Lena Entezami lasen aus Julian Barnes.

Foto: kdi

Dabei stand zwischen Kaffeetassen und Käsekuchen schwere Kost auf dem Speiseplan: Julian Barnes Essay von 1989 "Über die Liebe" aus seinem Roman "Die Geschichte der Welt in 10½ Kapiteln". Diese Kost wurde von Lena Entezami und Matthias Heße serviert. Im Dialog nahmen die beiden Schauspieler des Schlosstheaters Moers dem halben Kapitel über die Liebe, die die zehn Kurzgeschichten des 72-jährigen Autors aus Mittelengland verbinden, die Schwere. Sie griffen schon einmal zu Ukulele und Gitarre, um das philosophische Essay mit einem Liebeslied zu versüßen, beispielsweise mit dem Song "Love lift us up where we belong", der durch Jennifer Warnes und Joe Cocker zum Popklassiker avancierte.

Das war eine Seite, sich der Liebe zu nähern, "die wesentlich ist, weil sie nicht sichtbar ist". Liebe sei nicht zu definieren. Am besten könnten Lyriker von der Liebe berichten, meinten sie mit Julian Barnes, der in seinem Essay auch ein Liebesgedicht von Johann Wolfgang von Goethe zitiert. Liebesgedichte seien ein eigenes Genre, Liebesprosa nicht. Liebe lasse sich leicht negativ abgrenzen. Ohne sie gebe es keine Menschlichkeit, keine Hoffnung und kein Glück. Gleichzeitig mache gegenseitige Liebe nicht unbedingt glücklich. Außerdem könne man auch unglücklich geliebt werden.

Diesen philosophischen Tiefgang lockerten die Schauspieler mit Geschichtchen auf, die sich auch im Roman "Die Geschichte der Welt in 10½ Kapiteln" von Julian Barnes finden, dessen Kapitel Schauspieler des Schlosstheaters zurzeit an verschiedenen Orten vorstellen. So berichteten sie über das Liebesleben der Pinguine, bei denen sich das Männchen um die geschlüpften Jungen kümmert. Liebe bleibe aber ein großes Geheimnis, wie die Wahrheit. Diese ist für den englischen Autor nicht durch die Menschen zu erfassen, wie er 1982 in seinem Roman "Flauberts Papagei" zeigte, mit dem er seinen Durchbruch hatte.

Den 35 Besuchern gefiel die Melange aus tiefsinnigen und leichten Passagen. Sie entließen die beiden Schauspiel erst nach langem Applaus. Am Montag, 30. April, geht der Kulturfrühling um 19 Uhr erneut "auf Reisen". Im SCI-Sozialzentrum Barbaraschule erzählen Frank Kunert und Dieter Zisenis Geschichten aus dem Orient.

(got)
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