Grabungen am Moerser Schlosspark Bonifatiuskirche gibt Geheimnis nicht preis

Moers · Im Auftrag des Grafschafter Museums- und Geschichtsvereins haben Archäologen nach den Überresten der ersten Moerser Stadtkirche gegraben.

 Archäologe Daniel Gansauer vermisst die Fundstelle.

Archäologe Daniel Gansauer vermisst die Fundstelle.

Foto: Jürgen Stock/GMGV

Es ist kurz nach zehn Uhr vormittags, als die Baggerschaufel auf etwas Hartes stößt. „Stop“, ruft Archäologe Jens Wroblewski. Er weiß, dass er schon nach wenigen Minuten Grabungszeit ein erstes Ziel erreicht hat. Vor ihm sind im Boden Reste einer gut einen halben Meter dicken Ziegelmauer sichtbar: Sie gehören wahrscheinlich zu den Fundamenten von St. Bonifatius, der ersten Moerser Stadtkirche.

 Archäologe Jens Wroblewski erläutert die Planungen Wilfried Scholten, Matthias Boschheidgen, Joachim Daebel und Peter Boschheidgen (v.l.).

Archäologe Jens Wroblewski erläutert die Planungen Wilfried Scholten, Matthias Boschheidgen, Joachim Daebel und Peter Boschheidgen (v.l.).

Foto: Jürgen Stock/GMGV

Die Ausgrabungen verfolgen die Historiker Joachim Daebel und Wilfried Scholten vom Grafschafter Museums- und Geschichtsverein (GMGV). Daebel hatte im Auftrag des Vereins die Erkundungsarbeiten auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs an der Rheinberger Straße vorbereitet. Dass sich dort die erste Moerser Stadtkirche befand, war seit langem bekannt. „Schon mein Vorgänger Udo Pieper hatte vorgeschlagen, durch Grabungen die genauen Umrisse der Kirche zu bestimmen“, sagt GMGV-Vorsitzender Peter Boschheidgen. „Nachdem Geo-Radarmessungen 2017 frühere elektromagnetische Untersuchungen über die Lage der Kirche bekräftigt hatten, haben wir uns im Verein dazu entschlossen, das Projekt auf den Weg zu bringen.“

 Haufenweise gefundene Sargbeschläge könnten zu den irritierenden Messergebnissen geführt haben.

Haufenweise gefundene Sargbeschläge könnten zu den irritierenden Messergebnissen geführt haben.

Foto: Jürgen Stock/GMGV

Die Planung musste unter beinahe konspirativen Umständen vor sich gehen. Die vom GMGV beauftragten Wissenschaftler hatten Angst vor Grabräubern, auch wenn auf dem Ex-Friedhof die Kronkorken rings um die Kapelle das wertvollste Edelmetall im Boden sein dürften. Entsprechend klein war der Kreis der Eingeweihten, die von den Grabungen wussten

Das Gemäuer, auf das die Archäologen Wroblewski und sein Kollege Daniel Gansauer am ersten Tag stoßen, war schon 1983 vom Moerser Heimatforscher Hans Deden bei einer Grabung einmal freigelegt worden. „Die Gebäudeecke aus Tuffstein stammt aus dem Hochmittelalter und belegt, dass hier wohl ein Sakralbau gestanden hat“, sagt Wroblewski. Die Fundstelle liegt etwa fünf Meter nördlich der aus dem frühen 19. Jahrhundert stammenden Friedhofskapelle. Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen hatten Jahre zuvor weitere Störungen im Boden zur Rheinberger Straße hin entdeckt, so dass aus Sicht der der damals tätigen Wissenschaftler Grund zu der Annahme bestand, dass dort der Chor der Bonifatiuskirche gestanden haben könnte.

Rings um die Grabungsstelle hatte einst die älteste bäuerliche Siedlung an dem Fluss Murse gelegen. Bereits um 900 wird ein Ort Murse in einem Güterverzeichnis des Klosters Werden genannt. Schriftlich bezeugt sind Kirche und Pfarre erstmals im 13. Jahrhundert. Nach der Stadtgründung von Moers im Jahr 1300 lag die bäuerliche Siedlung mit der Pfarrkirche im Norden außerhalb der Stadtmauern und wurde Buytendorp genannt. Über Jahrhunderte nutzten die Moerser die Bonifatiuskirche als ihre Stadtkirche, während sich auf dem Gelände der heutigen evangelischen Kirche seit dem 14. Jahrhundert nur eine Klosterkapelle befand.

1587 wurde bei der Belagerung von Moers durch die Truppen des Moritz von Oranien aus militärischen Gründen der Turm abgerissen.

Als im fünften Jahr der oranischen Herrschaft 1605 ein Brand die Stadt vernichtete, nutzten die Moerser den ehemaligen Chor der Bonifatiuskirche als Steinbruch, um die Kirche in der Innenstadt damit wieder auf zu bauen. Im 18. Jahrhundert wurden vermutlich auch noch im Boden verbliebene Fundamentreste andernorts verbaut. Allerdings bezeugen Kirchenbücher, dass es um diese Zeit noch intakte Grabkammern auf dem Friedhofsgelände gegeben haben musste, da sich damals eine wohlhabende Moerser Familie das Recht erkaufte, ihre Angehörigen in der Gruft zu bestatten, in der vermutlich auch die Gebeine von Hermann von Neuenahr und Walburgis, der letzten Gräfin von Moers, liegen.

Eine gezielte Suche nach der Gruft hatte das Landesamt für Bodendenkmalpflege in seiner Grabungsgbewilligung indes ausgeschlossen. Befürwortet wurden lediglich die Überprüfungen der elektromagnetischen und Geo-Radarmessungen.

 Doch Tage nach dem ersten Fund sind die Archäologen ihrem Ziel nur ein kleines Stück näher gekommen. Grabungen haben die Georadarmessungen nicht bestätigen können. Möglicherweise hatten haufenweise im Boden entdeckte Sargbeschläge Störungen im Boden angezeigt, die irrtümlich für einen Hinweis auf verborgene Fundamentreste gehalten worden waren.

Wroblewski: „Immerhin haben wir jetzt den Radius für künftige Untersuchungen deutlich verkleinern können. Ich hielte es für sinnvoll, den Verlauf der von uns freigelegten Gebäudeecke weiterzuverfolgen. Aber dazu bedarf es einer Abstimmung zwischen Bodendenkmapflege und GMGV.“

 Noch gibt die Bonifatiuskirche ihr Geheimnis nicht preis. „Wir werden nach Vorlage des schriftlichen Grabungsberichts durch den Archäologen Wroblewski im Vorstand besprechen, ob wir einen neuen Anlauf starten wollen“, sagt Boschheidgen.

(RP)
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