Moers Gewerkschaft NGG warnt: zu wenige Vollzeitjobs

Moers · 38 Prozent der Duisburger hatten 2014 laut einer Studie keinen Vollzeitjob. Arbeitsagenturchef Ulrich Käser relativiert.

Rund 38 Prozent der Beschäftigten in Duisburg arbeiteten im vergangene Jahr in Teilzeit- und Mini-Jobs oder hatten ein Leiharbeitsverhältnis. Vor zehn Jahren lag der Anteil der sogenannten "atypisch Beschäftigten" dagegen noch bei knapp 30 Prozent. Darauf macht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aufmerksam. Sie beruft sich dabei auf eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die den Arbeitsmarkt in Duisburg unter die Lupe genommen hat. Demnach arbeiteten im vergangenen Jahr rund 73 000 Beschäftigte in nicht-regulären Jobs.

Für die NGG ist diese Tendenz alarmierend: "Wenn mittlerweile so viele Menschen keinen stabilen Arbeitsplatz haben, zeigt das die Schieflage auf dem Arbeitsmarkt in Duisburg", sagt Hans-Jürgen Hufer, Geschäftsführer der NGG Nordrhein. Gerade Mini-Jobs hätten zugenommen. Im Bäckerhandwerk und in der Gastronomie seien diese besonders verbreitet - auf Kosten von regulärer Beschäftigung. "450 Euro reichen aber meist nicht zum Leben. Deshalb müssen viele Menschen mehrere Mini-Jobs machen, oft ohne Sicherheit und in der Angst, die Stelle schnell wieder zu verlieren", sagt Hufer und warnt: "Wackelige Jobs heute sind die Altersarmut von morgen."

Auf den ersten Blick gehe es Deutschland wirtschaftlich gut. Beim genauen Hinsehen würden sich hinter den hohen Beschäftigungszahlen aber viele unsichere Jobs verbergen, so der Gewerkschafter. "Unbefristete Vollzeit-Stellen sind heute zur Ausnahme geworden, gerade für Berufsanfänger."

Die NGG fordert die Arbeitgeber in Duisburg auf, wieder mehr reguläre und tariflich bezahlte Jobs zu schaffen. "Der seit Januar geltende gesetzliche Mindestlohn, für den sich die NGG seit Jahren eingesetzt hat, ist dabei eine feste Untergrenze. Durch den Mindestlohn haben auch in Duisburg viele Beschäftigte erstmals die nötige finanzielle Sicherheit", so Hufer. Daran dürfe nicht nachträglich gerüttelt werden. Er gesteht aber auch ein: "Manchmal kann es für Mini-Jobs und Teilzeit auch gute Gründe geben. Zum Beispiel machen sie Sinn für Rentner oder Studenten, die sich ein bisschen dazu verdienen wollen." Zum echten Problem werde irreguläre Beschäftigung aber dann, wenn Vollzeit-Stellen abgeschafft werden - "und sich der Kellner oder die Verkäuferin in der Bäckerei ihr Monatseinkommen zusammenstückeln müssen".

Für Ulrich Käser, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Duisburg, sind die Zahlen aus der Studie der Hans-Böckler-Stiftung weniger alarmierend. "Das ist kein Bereich, der bei uns Besorgnis auslöst. Denn der Begriff ,atypisch Beschäftigte' ist überhaupt nicht aussagekräftig", sagt Käser. "Er ist sogar irreführend", sagt er - aus zwei Gründen:

Zum einen sei die Definition schon schwierig. "Jede Stunde, die weniger gearbeitet wird, ist bereits eine Teilzeit- oder atypische Beschäftigung. Das sagt nicht viel aus." Zweitens, so Käser, sei dies ja auch häufig genau im Sinne der Arbeitnehmer. Viele wollten auf eigenen Wunsch weniger arbeiten - nicht nur Rentner oder Studenten, wie die NGG es formuliere. "Viele regulär Beschäftigte wollen mehr Freizeit haben. Oder sie wollen die Arbeit wegen familiärer Umstände reduzieren. Teilzeit ist also für sie gar nichts Schlechtes - im Gegenteil", sagt der Agenturchef. Gleichwohl, sagt Käser, gebe es Betriebe, die flächendeckend ihre Arbeitszeit reduzieren. Er denke da an die Stahlbranche. "Dann ist das natürlich meist keine gewollte Teilzeit."

Trotzdem warnt er vor einer "Dämonisierung". "Es ist immer noch besser, über solche flexiblen Modelle Arbeitslosigkeit zu verhindern, als an einem starren Arbeitszeitmodell festzuhalten und dafür dann viele Menschen zu entlassen", sagt Käser. Er halte Teilzeitregelungen für eine "sozialverträgliche Strategie. Und die brauchen Unternehmen auch."

(RP)
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