Moers Gesundheitskarte vor dem Aus?

Moers · Die Einführung eines Krankenversicherungsausweises für Flüchtlinge ist mit mehr bürokratischem Aufwand verbunden als erwartet. Nun muss die Politik entscheiden, ob das Modell fortgeführt wird.

Mit großen Hoffnungen hatte die Stadt Moers vor gut einem Jahr die Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt. Nun liegen die ersten Zahlen vor. Im kommenden Monat will die Verwaltung der Stadt nach Prüfung der Daten den Mitgliedern des Sozialausschusses einen Vorschlag unterbreiten: Entweder das Modell wird fortgeführt, oder die Verwaltung kehrt zum ursprünglichen Verfahren zurück, bei dem Asylbewerber sich vor einem Arztbesuch einen Behandlungsschein beim Sozialamt abholen müssen. Noch ist keine Entscheidung gefallen, doch man kann sagen: Das Projekt steht auf der Kippe.

Denn das zentrale Argument, mit dem vor allem Bürgermeister Christoph Fleischhauer (CDU) bei der Einführung der Karte warb, zieht offenbar nicht. Der Bürgermeister hatte gehofft, dass die Karte den internen Verwaltungsaufwand reduzieren werde. "Wir können jetzt schon sagen, dass das leider nicht so ist", sagt Michael Rüddel, Leiter des Fachbereichs Soziales. So würden beispielsweise häufige Anschriftenänderungen oder die Ausstellung von Ersatzkarten bei Verlust einen zuvor nicht erwarteten Arbeitsmehraufwand bedeuten.

NRW hatte Ende 2015 den Kommunen die Nutzung einer elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge bereits innerhalb der ersten 15 Monate nach Ankunft in der Gemeinde ermöglicht. Aktuell nutzen neben Moers folgende Städte in NRW das System: Alsdorf, Bocholt, Bochum, Bonn, Bornheim, Dülmen, Düsseldorf, Gevelsberg, Gladbeck, Hennef, Herdecke, Köln, Mönchengladbach, Monheim, Mülheim an der Ruhr, Münster, Oberhausen, Remscheid, Sprockhövel, Troisdorf, Wermelskirchen und Wetter.

Düsseldorfs Stadtdirektor Burkhard Hintzsche bewertete die Karte als Erfolg: "Alle, die eine gewisse Skepsis hatten, kann ich nur ermuntern, dem Düsseldorfer Weg zu folgen. Die gesundheitliche Versorgung für Flüchtlinge wurde deut-lich verbessert. Ein Ausufern von Gesundheitsleistungen konnten wir nicht feststellen."

In Moers könnten nun die Verwaltungskosten der Krankenkassen zum entscheidenden Kriterium werden, das Experiment weiterzuführen oder es zu beenden. Die Moerser kooperieren mit der BKK Novitas, die gerade die Abrechnung für die ersten beiden Quartale erstellt hat. "Wir sind gerade dabei, die Zahlen auszuwerten", sagt Rüddel und hoffen, dem Sozialausschuss im Juni eine entsprechende Vorlage liefern zu können."

Insgesamt haben bislang 800 noch nicht anerkannte Flüchtlinge eine Gesundheitskarte bekommen, 400 nutzen sie noch. Zahlen aus der Vergangenheit lassen erwarten, dass die Abrechnungskosten, die die BKK der Kommune in Rechnung stellt, um grob geschätzt etwa 40.000 bis 50. 000 Euro pro Jahr über dem Satz des alten Abrechnungssystems über Behandlungsschein liegen wird. Dagegen könnten laut der Moerser Stadtverwaltung aber möglicherweise günstigere Konditionen gegengerechnet werden, die die Krankenkassen etwa bei der Medikamentenversorgung erhalten.

Die Krefelder Stadtverwaltung hatte dieses Argument ebenfalls geprüft und es für nicht stichhaltig erachtet. Schließlich könnten die Kommunen auch selbst Rahmenverträge abschließen und ähnliche Konditionen wie die Krankenkassen erhalten.

Fragt man Betreuer von Flüchtlingen, fällt die Bilanz der Gesundheitskarte allerdings eindeutig positiv aus: "Für die Flüchtlinge ist die Gesundheitskarte viel unkomplizierter als das alte System mit den Behandlungsscheinen", sagt Amar Azzoug, Vorsitzender des "Bunten Tisches". "Und auch aus den Arztpraxen hören wir nur Positives, weil viele Nachfragen bei den Ämtern nun nicht mehr nötig sind."

(RP)
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