Mit Jürgen Schmude "Gehöre gerne zur Moerser Kulturmafia"

Moers · Am Samstag feiert die SPD ab 15 Uhr im Moerser Bollwerk ihr 150-jähriges Bestehen. Jürgen Schmude (77) blickt zurück.

 Jürgen Schmude gilt als die graue Eminenz der Moerser SPD. Insbesondere in kulturpolitischen Frage wird sein Rat gesucht.

Jürgen Schmude gilt als die graue Eminenz der Moerser SPD. Insbesondere in kulturpolitischen Frage wird sein Rat gesucht.

Foto: Klaus Dieker

Herr Schmude, Sie haben mehr als ein Drittel der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie zum Teil in führenden Funktionen miterlebt. Sie waren Justiz- und Innenminister der sozialliberalen Koalition. Noch immer engagieren Sie sich im kulturellen Leben von Moers. Warum sind Sie 1957 in die SPD eingetreten?

Schmude Meine Familie stammt aus Ostpreußen. Ich fand die Politik der Regierung Adenauer unaufrichtig, den Vertriebenen eine Rückkehr in ihre verlorene Heimat zu versprechen. Zudem gab es in Deutschland trotz des Aufschwungs immer noch viele Menschen, denen es wirtschaftlich schlecht ging. Schließlich fand ich es nicht akzeptabel, dass alte Nationalsozialisten wieder in entscheidenden Positionen saßen.

Wie sahen Ihre politischen Anfänge in der SPD aus?

Schmude Schon nach einem Jahr wollte ich wieder austreten, weil ich mit einigen Moerser Sozialdemokraten nicht klar kam. Aber dann hat mich Pastor Erich Vowe zu einem jungen Landtagsabgeordneten nach Düsseldorf geschickt. Das war Johannes Rau. Der hat mir deutlich gemacht, was es bedeutet, wenn man sich dafür entscheidet, Verantwortung zu übernehmen.

Warum hatten Sie anfangs Ärger mit einigen Genossen?

Schmude Ich kam ja aus einem bürgerlichen Elternhaus. Das war damals in der SPD noch ziemlich ungewöhnlich. Das hat sich dann aber rasch geändert. Mit dem Godesberger Programm von 1959 hat sich die SPD zur bürgerlichen Mitte hin geöffnet und sich als Volkspartei und nicht mehr als reine Arbeiterpartei definiert.

Wie ging es danach für sie weiter?

Scmude Ich habe die politische Ochsentour gemacht. Ich war Vorsitzender der Moerser Jungsozialisten, habe Vorstandsarbeit im Ortsverein gemacht und war sieben Jahre lang Mitglied des Moerser Rates. Mitglied des Kulturausschusses blieb ich auch noch, als ich 1969 in den Bundestag gewählt wurde.

Sie sind mit 21 in die Politik eingestiegen. Wenn man heute in eine Ortsvereinsversammlung nach Moers, Rheinkamp oder Kapellen kommt, sieht man nur wenige junge Gesichter. Woran liegt das?

Schmude Das ist ein Problem, das alle großen Parteien haben. Es gibt aber in Moers Bemühungen, Leute zu ermutigen, sich um politische Ämter zu bewerben, auch wenn sie noch keine 30 Ortsvereinsversammlungen besucht haben. Ibrahim Yetim bemüht sich da um eine Auflockerung. Ich finde das mutig und richtig. Nur die Tatsache, dass jemand 30 Jahre eine bestimmte Aufgabe übernommen hat, heißt ja nicht, dass er es weitere zehn Jahre machen muss.

Darüber gab es in der Moerser SPD erhebliche Unruhe, ohne dass jedoch darüber öffentlich kontrovers diskutiert worden wäre. Gibt es da nicht einen Verlust politischer Kultur?

Schmude Das hat es immer schon gegeben, dass jemand unter vier Augen beim Bier ein großer Held ist, sich aber nicht traut, den Mund aufzumachen, wenn 20 Leute im Saal sind. Das ist einfach menschlich. Ich kann mich erinnern, dass ich mein schlimmstes Lampenfieber als Juso-Vorsitzender hatte.

Sie gelten immer noch als graue Eminenz der Moerser SPD. Insbesondere in kulturpolitischen Fragen wird Ihr Rat gesucht. Manche sprechen mitunter von einer Moerser Kulturmafia. Stört Sie das?

Schmude Wenn sich mehr als zwei Leute um ein Thema bemühen, ist das Wort "Mafia" schnell bei der Hand. Im Landeskirchenamt Düsseldorf hat man früher von der Moerser Mafia gesprochen. Aber zu solch einer Art von Mafia gehöre ich gerne.

Die Moerser CDU hat überraschend den Vorsitzenden des Stadtsportverbandes als Bürgermeisterkandidaten aufgestellt. Wie finden Sie ihn?

Schmude Als Demokrat freue ich mich über einen spannenden Wahlkampf. Ich finde es sehr respektabel, wenn sich jemand aufstellen lässt, der vorher noch nicht politisch aktiv war. Aber ich glaube, auch Herr Fleischhauer wird noch seine Erfahrungen mit seiner Parte machen.

Morgen spricht Franz Müntefering, der ehemalige Vorsitzende der SPD, im Moerser Bollwerk am Bahnhof über 150 Jahre Sozialdemokratie. Sie haben das in der Vergangenheit auch getan. Was verbindet Sie beide?

Schmude Wir beide gehören ja einer Generation an. Wir haben gemeinsam im Bundestag gesessen. Auch später haben sich unsere Wege immer wieder gekreuzt. Er ist der richtige Mann für so einen Tag.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE JÜRGEN STOCK

(RP/ac)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort