Moers Gefahr durch steigendes Grubenwasser

Moers · Die RAG will das Grubenwasser in Zukunft nicht mehr wie bisher abpumpen. Der Wasserspiegel wird steigen. Das kann laut Experten dazu führen, dass Erdschichten darüber angehoben werden. Die Anwohner sind alarmiert.

Bodensenkungen infolge des Bergbaus sind der Schrecken vieler Hausbesitzer. Künftig werden sie sich wohl auch Gedanken darüber machen dürfen, ob Bodenhebungen zu Rissen in ihren vier Wänden führen können. Anlass dazu bietet ein neues Konzept zur Grubenwasserhaltung der RAG, das nach dem Ende des Bergbaus ab 2018 greifen soll. Die RAG will das Grubenwasser nicht mehr in dem Maße abpumpen wie bisher. Der Wasserspiegel wird steigen.

Das kann dazu führen, dass Erdschichten darüber angehoben werden; wie bei Bodensenkungen könnte es Erschütterungen geben. "Man will versuchen, dies zu vermeiden", sagte Andreas Nörthen von der Bezirksregierung Arnsberg - sie ist Aufsichtsbehörde für den Bergbau - im Gespräch mit unserer Redaktion. Ganz ausschließen lasse sich das Risiko aber nicht.

RP-Leser Martin Becker (Name geändert) stieß auf das Problem, als er sich für ein Grundstück in Kapellen interessierte. "Leider werden lediglich die Risiken für das Grundwasser aufgrund von Schadstoffen in den Stollen thematisiert. Unberücksichtigt bleibt das erhebliche Risiko erneuter Bergschäden durch Hebungen, die durch ansteigendes Grubenwasser induziert werden können", bedauert der Schwafheimer. Becker wollte in Kapellen ein Haus für seine Familie bauen.

"Der Makler sprach lediglich davon, dass die Schäden durch den Bergbau abgeklungen seien." Da er wusste, wie stark Kapellen einst von Bergschäden betroffen war, recherchierte Becker aber weiter und stieß dabei bei auf das Grubenwasserproblem. Nicht nur vielen Maklern scheine es bislang unbekannt zu sein. Auch ein Gutachter, den er kontaktiert hatte, habe nur den Kopf geschüttelt.

Michael Claeßen, in Rheinberg ansässiger Markscheider und Gutachter, stellt sich dagegen bereits darauf ein, in einigen Jahren auch durch Bodenhebungen verursachte Bergschäden zu untersuchen. "Wenn das Grubenwasser auf bindige Bodenschichten über den einstigen Kohleflözen stößt, Lehm zum Beispiel, dann saugen sich diese voll, dehnen sich aus und drücken nach oben", erläuterte der Diplom-Ingenieur. Sei der Erdboden, wie in Kapellen, ohnehin schon geschwächt, sei das Risiko umso größer. Das Abpumpen des in die Abbaustollen eindringenden Wassers im aktiven Bergbau dient dem Schutz der Bergwerke. Nach dem für 2018 vorgesehenen Ende des Bergbaus gebe es keinen Anlass mehr, so abzupumpen wie bisher, sagte Andreas Nörthen: "Das wäre Vernichtung von Geld."

Nörthen betonte, dass das Konzept der RAG noch nicht beschlossen sei. Und: Selbst wenn alle Pumpen auf einen Schlag ausgeschaltet würden, brauchte es Jahre, bis das Grubenwasser eine kritische Höhe erreichte. Das sei aber gar nicht geplant. Die Grubenwasserhaltung werde eine "Ewigkeitsaufgabe" des Steinkohlebergbaus bleiben. Lediglich die Anzahl der Wasserhaltungsstandorte (Pumpen) werde gesenkt. Denn das Grubenwasser solle erstens nicht mit Trinkwasserschichten in Berührung kommen und zweitens eben nicht bis ans "Deckgebirge" (die Schichten über der Kohle) ansteigen. "Zu 100 Prozent ausschließen kann man das aber nicht."

Beispiele für Folgen des Grubenwasseranstiegs gibt es im Raum Aachen, wo sich der Boden über ehemaligen Kohleabbaugebieten bis zu 20 Zentimeter gehoben haben soll. Die RAG schätzt das Risiko von Hebungen insgesamt als gering ein. Die Entwicklung von Hebungen werde durch ein "Monitoringprogramm" überwacht, heißt es im "Konzept zur langfristigen Optimierung der Grubenwasserhaltung der RAG", das im September 2014 im Unterausschuss Bergbausicherheit des Landtags vorgestellt wurde. Und weiter: "Sofern hebungsbedingte Schäden eintreten, sind dies Bergschäden und entsprechend den gesetzlichen Regelungen zu behandeln." Ein Hinweis auf die Schadensregulierung, zu der Bergwerksbetreiber sowie deren Nachfolger verpflichtet sind. Claeßen weiß allerdings, dass es nicht immer leicht ist, gegenüber der RAG Schäden geltend zu machen. "Man muss nachweisen können, dass die Schäden vom Bergbau herrühren."

(RP)
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