Fraktionen im Moerser Stadtrat „Die Grafschafter haben noch viele Ideen“

Fraktionschef Claus Peter Küster, Ratsfrau Astrid Schulze und Kultur-Experte Ingo Plückhahn über das enttäuschende Ergebnis bei der Kommunalwahl, die Gründung der Wählergemeinschaft und Zukunftsziele.

 Die Mitglieder der Wählergemeinschaft „Die Grafschafter“ im Dezember 2019.

Die Mitglieder der Wählergemeinschaft „Die Grafschafter“ im Dezember 2019.

Foto: Die Grafschafter/CHRISTOPH REICHWEIN

Herr Küster, aus Sicht der Grafschafter war die Kommunalwahl im September ein herbe Enttäuschung: Ihre Wählergemeinschaft erhielt nur 3,9 Prozent der Stimmen. 2014 waren es noch 6,8 Prozent. Wie erklären Sie sich das Ergebnis?

Claus Peter Küster Das Wahlergebnis war aus unserer Sicht in der Tat desaströs: 50 Prozent verloren, von vier auf zwei Ratsmandate geschrumpft. Das ist sehr enttäuschend, da wir uns 16 Jahre lang vor Ort für die Bürgerinteressen eingesetzt haben. Und so mancher hat sich die Augen gerieben.

Das Ergebnis hat auch andere Parteien überrascht?

Küster Ja, viele haben sich gemeldet und gefragt, wie das denn gekommen ist? Eine Erklärung haben wir dafür nicht, denn an mangelndem Einsatz ist es gewiss nicht gescheitert.

Was machen die Grafschafter nun?

Küster Wir blicken optimistisch nach vorne, weil wir ein Mitte-Links-Bündnis mit insgesamt fünf Fraktionen anstreben. Bestehend aus SPD, Grünen, Linker Liste, Die Fraktion und uns. Ganz nach dem Motto: Moers tickt links und sozialökologisch.

Wie viel lässt sich dort, in so einem großen Zusammenschluss, als kleine Fraktion bewirken?

Küster Obwohl wir jeweils nur zwei Ratsmandate haben, bringen auch wir viele gute Ideen ein, um Moers voranzubringen.

Zum Beispiel?

Küster Der ökologische Wandel muss sich sozialverträglich aufstellen und für alle bezahlbar sein. Umweltverträglicher Wohnraum mit mehr Sozialwohnungsbau muss her und zugleich als Mischwohnungsbau angelegt werden, damit es keine Ghettoisierung gibt. Dafür setzen wir uns ein.

Mit ihren mehr als 15 Jahren Ratstätigkeit sind die Grafschafter eine feste Größe in der Moerser Politik. Wie kam es damals zur Gründung?

Küster Erste Überlegungen sich in die Moerser Lokalpolitik einzubringen, gab es bereits im Sommer 1999 während eines Grillabends. Die Idee politisch Aktiv zu werden, hat dann über mehrere Jahre Gestalt angenommen.
Astrid Schulze Man traf sich, sondierte, diskutierte und kam zu dem Schluss, es zu versuchen. Ich habe mich damals unter anderem für die PCB- und Brandschutzsanierung der Geschwister-Scholl-Gesamtschule eingesetzt und so manches Gefecht mit der Stadt erlebt. Man hat sogar versucht, mir das Engagement um die Schulsanierung auszureden. Heute hingegen wird Moers um die sanierten Schulen und Kitas beneidet. Für dieses Engagement durfte ich 2002 den Preis für „Zivilcourage im Umweltschutz“ entgegen nehmen.

Herr Küster, wann hatten Sie Ihre politische Feuerprobe?

Küster Das war bei den Diskussionen um das Moerser Schokoticket. Das Ticket erlaubt es Schülern für 20 Euro fast ganz NRW zu bereisen. Für Schüler aus Moers hingegen kostete es das doppelte, galt lediglich für das Moerser Stadtgebiet und das auch nur während der Schulzeiten. Diese Ungerechtigkeit ließen viele Moerser nicht auf sich sitzen und unterstützten unsere Unterschriftenaktion.

Die Kultur liegt den Grafschaftern ebenfalls am Herzen . . .

Ingo Plückhahn Richtig! Eine Veranstaltungshalle mit ausreichend Parkplätzen fehlte lange in Moers. Als Vertreter des Kulturbereichs war ich deshalb besonders froh, dass die ehemalige Tennishalle an der Filder Straße 2014 zur Festival- und später zur Eventhalle umgebaut wurde. Auch den Erhalt der Musikschule haben die Grafschafter befürwortet.

Warum sind die Grafschafter eine Wählergemeinschaft und keine Partei?

Küster Zuerst haben wir versucht, durch persönliches Engagement die örtliche Politik zu verbessern. Als wir dort auf Grenzen stießen, nahm die Idee, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, Gestalt an.

Schulze Wir haben uns bewusst gegen die Gründung einer Partei entschieden. Ohne übergeordnete Parteihierarchie wollten wir eine frische politische Gemeinschaft aus engagierten Bürgern gründen. Wir waren der Meinung, so der Entwicklung der Stadt und den Bürgern besser helfen zu können.
Plückhahn Nach dieser Entscheidung ging dann alles sehr schnell. Da bei vielen Moersern das Interesse groß war, und wir auch das Glück hatten, Menschen zu finden, die sich in den verschiedenen politischen Bereichen wie Sport, Kultur, Schule und Jugend schon beruflich gut auskannten. 2004 war es dann so weit, am 1. April gründeten sich die Grafschafter, damals noch unter den Namen „Freie Bürger Gemeinschaft Moers“. Aus dem Stand erreichten wir drei Ratsmandate und damit Fraktionsstatus.

Was, würde Sie sagen, ist der Markenkern der Grafschafter?

Küster Ich würde sagen, es ist das Gespür für Bürgeranliegen. Hilfreich ist da sicherlich, dass sich viele unterschiedliche Teile der Gesellschaft bei uns wiederfinden. Ob noch in Ausbildung oder Rentner, selbstständig oder angestellt – hier gibt es einen Draht zur städtischen Vielfalt.

Trotzdem hat Ihnen rund die Hälfte Ihrer Wähler im vergangenen Jahr den Rücken gekehrt. Was heißt das für die künftige Arbeit der Grafschafter?

Schulze Dieser Rückschlag hält uns nicht auf. Für uns gilt es jetzt, bisherige Erfolge zu erhalten und weiterzuentwickeln. Und ob mehr Sozialbau, mehr ÖPNV, neue Stadtgärten oder die Einführung eines Jugendparlaments – Ideen für Moers haben die Grafschafter noch reichlich.

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