Moers "Flüchtlinge als Zuwanderer sehen"

Moers · Seit einem Jahr koordiniert der Bunte Tisch die Flüchtlingsarbeit in Moers.

 Adell Sliwa vom Bunten Tisch bei der Hausaufgabenbetreuung.

Adell Sliwa vom Bunten Tisch bei der Hausaufgabenbetreuung.

Foto: kdi

Den Begriff "Flüchtling" wollen Amar Azzoug und sein Team vom Bunten Tisch meiden. Sie ziehen es vor, alle in Deutschland lebenden Menschen mit Wurzeln im Ausland als Zuwanderer zu betrachten. "Egal, um welche Generation es sich handelt und wie lange sie in Deutschland bleiben."

Interkulturelles Denken und Eine-Welt-Politik nannte Azzoug als Stichworte für die Zukunft. Das gehört zum Fazit, das der Bunte Tisch nach einem Jahr Koordinierung der Flüchtlingsarbeit in Moers gestern zog. "Wir haben Pionierarbeit geleistet", sagte Azzoug. Chaos habe anfangs geherrscht, weil man sich vor Hilfsangeboten, Kleider, Möbel- und anderen Spenden kaum retten konnte. Mittlerweile habe man diese Aufgabenfelder beispielsweise an die Kleiderkammern der Gemeinden abgetreten. Statt dessen konzentriert sich der Bunte Tisch auf Dinge wie Information, Bildung oder Koordination des Ehrenamts.

Der Bunte Tisch organisiert Konversationskurse für Flüchtlinge, von denen es mittlerweile um die 20 in der ganzen Stadt gebe, er hat die Internetplattform moers-hilft.de eingerichtet, er veranstaltet Flüchtlingskonferenzen in den Stadtteilen und Sportkonferenzen - viele Flüchtlinge seien inzwischen in Moerser Vereinen aktiv.

Der Bunte Tisch hat dazu beigetragen, dass am Berufskolleg für Technik eine Internationale Förderklasse eingerichtet werden konnte, er ist Partner eines Projekts, bei dem Flüchtlinge berufsbezogene Praktika und Umschulungen bis hin zum Gesellenbrief machen können. "Integration funktioniert über Bildung", sagte Azzoug. Bildung werde denn auch Schwerpunkt der künftigen Arbeit sein. Der Bunte Tisch will zudem Rückkehr-Programme für Flüchtlinge entwickeln. Die Hoffnung auf eine freiwillige Rückkehr in die Heimatländer sei nur dann realistisch, wenn man die Menschen nicht "mit leeren Händen" zurückschicke.

Für die Koordinierung der Flüchtlingsarbeit gibt es beim Bunten Tisch eine von der Stadt finanzierte Stelle, die sich Hayat Ketfi und Adell Sliwa teilen, auch die Freddy-Fischer-Stiftung steuert Geld bei. Viele Angebote sind aber nur dank des Engagements ehrenamtlicher Helfer möglich. Zum Beispiel eine Kreativgruppe, in der geschneidert wird, oder das Projekt "Kompass", bei dem Flüchtlinge die Regeln des deutschen Alltags von Mülltrennung bis hin zum Arztbesuch kennenlernen. Nach wie vor gebe es viele hilfswillige Moerser, die manchmal frustriert sind, weil ihr Angebot nicht sofort aufgegriffen werde. So ging es auch Marion Bertel, die dem Bunten Tisch einen Teil der Buchführung abnimmt. "Geduld", riet sie gestern anderen Hilfswilligen.

(pogo)
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