Klingelbeutel Feindesliebe

Moers · Wird hier von Jesus nicht etwas Übermenschliches gefordert? Auf den ersten Blick scheint es so zu sein. Doch es ist eines der größten Anliegen Jesu, den Teufelskreis von Hass und Gewalt zu durchbrechen. Dies ist nur dann möglich, wenn einer beginnt damit aufzuhören. Dass Jesus uns dieses hohe Maß an sittlicher Selbstüberwindung abverlangt ist nicht nur eine Zumutung, sondern zugleich eine erstaunliche Vertrauensbekundung: Er traut uns zu, dass wir unsere höchsten Möglichkeiten verwirklichen und uns in seiner Nachfolge durch nichts und niemanden vom Weg der Menschlichkeit und Liebe abbringen lassen. Das ist Anlass zum Staunen und zur Freude. Allerdings bedarf es eines Entwicklungsprozesses. Dies machen die Biographien von Mahatma Gandhi, Martin Luther King oder Nelson Mandela deutlich. Selbst diese großen Vorbilder des gewaltfreien Widerstands brauchten längere Zeit, um ihren Weg zu finden. Jesus fordert unmissverständlich den Verzicht auf Gewalt ein, auch dann, als er selbst zum Opfer von Willkür und Tyrannei wird, wie die Ereignisse im Garten Getsemane zeigen. Wenn die Situation es erfordert, und wirklich keine andere Alternative besteht, ist es besser, Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun. Gewaltfreies Handeln ermöglicht aber dennoch Widerstand, zumindest durch Worte, aber auch mit Hilfe von Aktionen wie Mahnwachen, Sitzblockaden oder Hungerstreiks. "Hasse die Sünde, aber liebe den Sünder" ist ethisch geboten und es hat nichts mit fehlender Demut zu tun, inhumane Grundprinzipien wie Rassismus, Sexismus, bedingungslose Selbstbehauptung abzulehnen und sich ihnen mit ganzer Kraft und ganzem Herzen zu widersetzen. "Verzeihen" heißt dem Wortsinn nach: auf Rache verzichten - gerade aus Respekt seinen Widersachern gegenüber. Jesus wusste genau, dass nach vollzogener Rache die Sehnsucht nach Frieden meist zu spät kommt. Die Ethik der Bergpredigt kann als Präventionsethik verstanden werden. Jesus gibt hier Weisungen, wie man sich selbst und andere von vornherein vor massivem Leid und Unglück bewahren kann. Falls ich mal wieder eine Faust in der Tasche mache oder aus der Situation so schnell wie möglich verschwinde, so bin ich zumindest in guter Gesellschaft.

Barbara Hemping-Bovenkerk, Pastoralreferentin an St. Quirinus, Neukirchen-Vluyn

(RP)
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