Moers Einsam und gescheitert am Rio Rapidos

Moers · Die Kirmes wird aufgebaut. Unser Autor Sebastian Fuhrmann hat einen Vormittag mit angepackt - oder es zumindest versucht. Die Profis machen ihre Arbeit lieber selbst. Ein Laie steht da nur im Weg und wird stehen gelassen.

Die Moerser Kirmes wird aufgebaut
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Als ich den Arbeitern zum ersten Mal gegenüberstehe, kann ich ihre Urteile über mich aus ihren Gesichtern ablesen. Was will der Typ mit der strebermäßigen Brille ausgerechnet hier bei uns? Geh nach Hause. Hier wird malocht, nichts für Weicheier. Ihre Ablehnung steigert meinen Ehrgeiz. So nicht. Ich werde euch zeigen, dass ich anpacken kann. Ich verdiene mir euren Respekt! - Kurz darauf stehe ich verlassen in der Ecke. Gearbeitet wird anderswo, nur nicht dort, wo ich bin. Irgendetwas ist schief gelaufen.

Einmal dabei zu sein, wenn ein Schausteller seine Bahn montiert, einmal mit anpacken, ein Teil der Arbeitermannschaft sein, ehrlich malochen. Mit den Händen. Gestern war es so weit, ich wollte mir den Respekt der Gruppe verdienen. Der Weg begann um 8 Uhr, mein Ziel: der Friedrich-Ebert-Platz und die Wildwasserbahn "Rio Rapidos" des Schaustellerbetriebes Kaiser. Chef Willy Kaiser hatte mir erlaubt, einen Vormittag beim Aufbau mitzuhelfen.

Rio Rapidos wiegt 600 Tonnen

Die Bahn ist ein Koloss. 600 Tonnen wiegt sie, wenn sie steht und mit Wasser befüllt ist. Netto wiegt sie 300 Tonnen. Gitter, Versatzteile, Rampen und Gondeln passen auf acht Lkw. Alles ist dicht an dicht gepackt, jeder zusätzliche Lkw verursacht horrende Kosten für den Transport der 2,5 Millionen Euro teuren Bahn. Zwei Kräne und 13 erprobte Fachkämpfer arbeiten zweieinhalb Tage daran, sie aufzubauen. Mit mir waren es diesmal 13,5. Ich bleibe dabei, auch wenn die Mitarbeiter das anders sehen.

Eine Stunde ist vorüber. Viel habe ich noch nicht getan. An der Seite, dort, wo einer der Kräne steht, fangen die Männer jetzt an, Gitter zu verladen. Das ist meine Chance. Ich packe selbstbewusst an. Daniel, der jüngste Helfer, mustert mich zuerst. Dann greift er bei dem Gitter zu, ich packe am anderen Ende an, es geht los. Unter der Last des Gitters breche ich fast zusammen.

Bei den Profis sitzt jeder Handgriff

Anmerken lasse ich mir aber nichts. Von den anderen fühle ich mich unter die Lupe genommen: Schafft es der Kerl, oder bricht er wie ein Klappstuhl zusammen? Ich schaffe es. Selbst die großen Gitter. Eines davon trage ich mit Jörg, der nur wenig Deutsch spricht, mich aber mit den wichtigsten Anweisungen dirigiert. Wir tragen drei weitere Teile, dann ist Schluss. Jörg dampft ab. Es ist nicht das letzte Mal, dass ich an diesem Tag stehengelassen werde.

Viele der Männer, die im Schaustellerbetrieb arbeiten, kommen aus Rumänien. Alle Beteiligten verstehen ihr Handwerk. Oben im Kran sitzt Siegfried Kaiser. Am Haken hat er eines der Rampenstücke, über die die Gondeln später auf den höchsten Punkt der Bahn gezogen werden sollen. Eines der Stücke wiegt fünf Tonnen, verrät mir Willy Kaiser beim Zusehen. Die Arbeiter werden damit mühelos fertig. Die Männer hoch oben auf der Bahn nehmen das Stück an, drehen es in Position und hämmern es fest. Jeder Handgriff sitzt, alles geht wie aus einem Guss, diese Männer sind Profis.

Ein Laie ist beim Kirmesaufbau keine Hilfe

Ich bin keiner, aber will einer sein und mitmachen. Aber ich darf nicht. Wieder stehe ich allein da. Jörg geht an mir vorbei. Als ich ihn angucke, blickt er weg, so, als hätte er es satt, mir alles zweimal sagen zu müssen. Weil er, wie auch die anderen Männer, nett ist, will er mir das nicht zeigen. Er tut so, als sei er in Eile. Ich gehe zu Kai. "Du bist Kai, richtig", sage ich. Er ist freundlich, erklärt mir wo es beim Aufbau mal hakt, berichtet, dass er seit drei Jahren dabei ist, Jörg sei schon sechs Jahre da. Wir kommen ins Gespräch, das ist die Chance, ich biete ihm meine Hilfe an, kurz darauf stehe ich wieder alleine da. Stimmt irgendwas mit mir nicht?

An der Ecke steht der Chef. Ich gehe zu ihm, er grinst schelmisch, aber wie immer freundlich. Ich lege die Karten auf den Tisch: "Die Männer arbeiten lieber unter sich, richtig? Mit mir zu arbeiten bedeutet letztlich mehr Arbeit, darauf haben die Männer keine Lust, richtig?" Der Boss grinst nur. Ich fühle mich gekränkt, lache dann aber mit. Was soll's. Keiner kann es ihnen übelnehmen. Willy und ich verabschieden uns. "Danke dir", sagt er. Ich frage mich: Wofür? Ich drehe mich zur Seite - dort steht Daniel. Er mustert mich schon wieder, es hat nicht gereicht. Ich gehe zurück in die Redaktion. Durch den Kopf schwirrt mir das Sprichwort: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Es ist besser so.

(RP)
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