Serie Kammermusikfestival Kloster Kamp Ein Cello geht auf Reisen durch die Jahrhunderte

Moers · Alexander Hülshoff, künstlerischer Leiter des Festivals, spielt ein Instrument des Mailänder Geigenbauers Grancino aus dem Jahr 1691.

Kamp-Lintfort Verkauft, vergessen, verschenkt und getauscht: Das Cello von Professor Alexander Hülshoff, künstlerischer Leiter des Kammermusikfests Kloster Kamp, hat eine lange Reise durch die Jahrhunderte hinter sich. Sie führte von Mailand nach Rom, Berlin über Frankreich bis Argentinien. Für Alexander Hülshoff ist es mehr als nur ein Instrument. "Es ist meine Stimme. Oftmals denke ich, dass es sich viel besser ausdrücken kann, als ich es je tun werde", sagt er. Bereits im Eröffnungskonzert des Kammermusikfests Kloster Kamp am Mittwoch, 25. Juli, wird Hülshoff sein Cello erklingen lassen.

"Ich spiele die Urfassung von Johannes Brahms Klaviertrio h-Moll op. 8. Es war mein Herzenswunsch, dieses Werk einmal in dieser frühen Fassung zu spielen. Die Version, die viele kennen, ist eine spätere Fassung, die Brahms verändert hatte", erklärt Hülshoff und hofft, dass das Spiel seines Cello fürs Publikum zu einem besonderen Erlebnis wird.

Das Violoncello stammt aus der Werkstatt von Giovanni Grancino (1637 bis 1709) und wurde 1691 in Mailand gebaut. Der Geigenbauer gehörte zu den berühmtesten seiner Zunft. Seine Violinen, Bratschen, Celli und Kontrabässe gelten für viele noch heute anderen Streichinstrumenten gegenüber als überlegen, berichtet Jeannette von der Leyen, Organisatorin des Kammermusikfests. Der erste Eigentümer war vermutlich Giovanni Antonio Haym, der auch Giovannino da Roma genannt wurde. "Er hat auf diesem Instrument zusammen mit Arcangelo Corelli für den Papst gespielt", betont Jeannette von der Leyen. Im Vatikan sei das Instrument schließlich in Vergessenheit geraten - bis Francesco Alborea aus Neapel es für ein Konzert mit Domenico Scarlatti dort wieder entdeckte. Der italienische Cellist soll das Instrument vom Papst geschenkt bekommen haben. "Dessen Erben verkauften es nach Berlin, wo es unter anderem bei Hofe gespielt wurde", berichtet von der Leyen. Dort wurde Jean Louis Duport neuer Besitzer des Grancino-Cellos. "Seine Etüden durchlaufen bis heute die meisten Cellisten", sagt von der Leyen. Duport wiederum verschenkte es an Kaiser Napoleon, der es zu seinem Sohn nach Rom schickte. Doch: "Auf dem Weg nach Rom wurde es in Bergamo vergessen. Gefunden hat es der Vater des Cellisten Alfredo Piatti, der das Instrument lange Zeit spielte." Und so kam das Instrument in neue Hände: Vermutlich durch die Vermittlung von Johannes Brahms kam das Cello in den Besitz des böhmischen Cellisten und Komponisten David Popper. Die letzten Stationen seiner Reise führte das Grancino-Cello mit Robert Neumann nach Argentinien. Dort soll er sein Instrument mit einer Wiener Cellistin gegen ein französisches Cello getauscht haben. Alexander Hülshoff kaufte das Cello schließlich Mitte der 1990er Jahre. "Ich hatte gerade meine erste Stelle in der damaligen Philharmonie Zuid (Maastricht) als Solo-Cellist bekommen und suchte nach einem besseren Instrument. Ich spielte damals ein gutes Bernardel." Bei einem Musikfestival in Krems (Österreich), auf dem er zusammen mit Igor Oistrach gespielt hatte, sei nach dem Konzert ein rotbärtiger Mann auf ihn zu gekommen, erzählt er, der sich als Geigenbaumeister aus Wien vorgestellt habe. Beide kamen ins Gespräch, und der Geigenbauer versprach, für Hülshoff ein passendes Instrument zu suchen. Es vergingen Monate. "Ich hatte das Gespräch längst vergessen, als ich einen Anruf erhielt: Das Cello war auf dem Weg zu mir. Ja, seitdem spiele ich auf einem Instrument des Geigenbauers Grancino. Dass es unter anderem im Besitz von David Popper war, habe ich erst einige Zeit später erfahren", erzählt der künstlerische Leiter des Kammermusikfests.

Seitdem hat er sich nie mehr von seinem Instrument getrennt. "Es ist ständig bei mir, auf allen Reisen, in allen Proben und Konzerte. Außerdem übe ich jeden Tag - ausnahmslos." Die Pflege scheint nicht aufwendig zu sein. Von Zeit zu Zeit geht es zum Geigenbauer für einen Check. Alle drei Monate werden die Saiten gewechselt. "Außerdem habe ich einen guten Kasten", sagt Hülshoff. Die Geschichte seines Cellos hat er vor drei Jahren fürs Kinder- und Jugendmusikfestival als musikalisches Theaterstück vertont. Darin erzählt das Cello als Protagonist den Kindern zum Schluss: "Endlich bin ich wieder in festen Händen. Das ist wie verheiratet sein."

(RP)
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