Moers Ein Anruf nach 33 Jahren

Moers · Der Grafschafter und Juwelier Hüls haben die schönsten Liebesgeschichten zum Valentinstag gefunden: Dies sind die drei Gewinner-Beiträge, die die Jury aus einer Vielzahl von Einsendungen ausgewählt hat. Es erzählen Barbara Moeller-Keussen, Gisela Gebhard und Sonja Vogel.

Grafschaft Es begann im Sommer 1972. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich mit meinen zarten 13 Jahren so richtig verliebt. Er hieß Bernd und war ein Junge aus meinem Schwimmverein in Iserlohn. Erst kurz zuvor war ich mit meinen Eltern von Bremen nach Iserlohn in ein am Waldrand gelegenes Haus gezogen. Bernd war schon 14, aber genau wie ich 1958 geboren. Beide gewannen wir zahlreiche Urkunden bei Schwimmwettkämpfen – einmal sogar bei einem internationalen Auftritt in Biel in der Schweiz.

Einen Großteil unserer Freizeit verbrachten wir miteinander, denn fast jeden Nachmittag wartete Bernd – versteckt hinter Bäumen – in der Nähe unseres Hauses. Wir überquerten dann die Bahnlinie hinter unserem Haus und gingen in den Wald, nahmen uns an die Hand, streichelten und küssten uns – sogar auf den Mund. Manchmal vergaßen wir die Zeit um uns herum und kehrten erst spät zurück. Für uns waren es gleichermaßen die allerersten Berührungspunkte zum anderen Geschlecht. Eine äußerst schöne, schüchterne und gefühlvolle Beziehung im Kindesalter. Und noch heute erinnern wir uns gern an unser selbstgebautes "Baumbett", in dem wir einfach nur nebeneinander lagen, um den Moment des Zusammenseins zu genießen.

Wege trennten sich

Natürlich wussten wir damals aus Gründen der Unerfahrenheit nichts über die Intensität der Gefühle des anderen. Und so geschah es, dass wir uns irgendwann im Frühjahr 1973 verloren. Wie und warum dies passieren konnte, das wissen wir allerdings nicht mehr. Bernd schwamm auch nicht mehr, sondern spielte nur noch Volleyball und Tischtennis. Nicht einmal zufällig begegneten wir uns in der Stadt und so trennten sich unsere Wege – scheinbar für immer.

Während meines Studiums der Tiermedizin in Berlin lernte ich meinen zukünftigen Mann und Vater meiner drei Jungs kennen. Er stammt aus Krefeld, weshalb wir nach dem Studium eine Tierarzt-Praxis in Kamp-Lintfort übernahmen. Jedoch zerbrach die Ehe im Jahre 2001 und ich führte neben Haushalt und Kindererziehung die Kleintierpraxis allein. Als Bernd mich nach 33 Jahren im Sommer 2006 anrief, um mir zu sagen, dass er mich sehr gern einmal wiedersehen möchte war ich zwar überrascht, aber dass dieses Treffen eventuell eine Wende in meinem Leben zur Folge haben könnte, damit konnte ich nicht rechnen.

Bernd besuchte mich an einem Freitagnachmittag, da er ein Wochenende allein in Holland verbringen wollte und nutzte somit die Gelegenheit, nach Kamp-Lintfort zu kommen. Wir saßen zwei Stunden gemeinsam in meinem Garten und tauschten Erlebtes und Erinnerungen aus. In uns beiden kehrte ein unglaublich vertrautes, mit Worten nicht zu beschreibendes Gefühl zurück. Beide waren wir in ähnlichen Lebenssituationen. Beide haben wir gescheiterte Ehen hinter uns und beide befanden wir uns wieder in neuen Partnerschaften. Bernd erzählte mir, dass er als Verkehrsplaner bei der Stadt Iserlohn arbeitet und die alte, mittlerweile stillgelegte Bahntrasse hinter dem Haus meiner Eltern zu einem Radweg umgebaut hat. Während der Planungsphase und bei den vielen Ortsterminen kamen in ihm all die alten Erinnerungen an diese schöne Zeit durch. Als er schließlich meinen Vater traf, gab dieser ihm meine Telefonnummer.

Anfangsbuchstaben im Baum

Bei unserem Abschied in meinem Garten tauschten wir unsere Handy-Nummern aus, und ich versprach Bernd, mich bei ihm irgendwann einmal zu melden, wenn ich meine Eltern in Iserlohn besuche. Am Dienstag nach seinem Besuch bekam ich von ihm einen Brief. Er schrieb, dass er die zwei Stunden mit mir sehr genossen hat und lobte ausdrücklich meinen schön gestalteten Garten. In den Wochen darauf verging fast kaum ein Tag, an dem ich nicht an ihn dachte und mich ein bisschen nach ihm sehnte. Aber ich habe ihm weder geantwortet noch mich bei ihm gemeldet, da ich meine Beziehung zu meinem damaligen Freund nicht gefährden wollte. Etwa ein Jahr später – im Sommer 2007– kaufte ich in der Schulstraße ein Haus, zog um und trennte mich von meinem unzuverlässigen Freund.

Im September darauf schrieb ich Bernd eine SMS mit der Absicht, ihn in Iserlohn besuchen zu wollen. So kam es, dass wir am 23. September 2007 – 14 Monate nach seinem Besuch – wieder gemeinsam durch unseren Wald spazierten. Und diesmal dauerte es auch nicht mehr lange, bis wir uns umarmten und küssten. Selbst unseren Baum fanden wir im Wald wieder und ritzten spontan unsere Anfangsbuchstaben (B & B) hinein.

Gleichermaßen empfanden wir ein sehr, sehr tiefgründiges Gefühl, füreinander bestimmt zu sein. Die zwischen uns liegenden 34 Jahre schienen so, als hätte es sie nicht gegeben. Ich bat ihn, mich bitte bald zu besuchen, damit ich ihm mein neues Haus zeigen kann. So geschah es dann auch direkt am nächsten Wochenende. Seitdem verbringen wir jedes Wochenende gemeinsam – zumeist in Kamp-Lintfort.

Heirat in Schenkenschanz

Der 23. September ist gleichzeitig Herbstanfang. Am darauf folgenden Frühlingsanfang, dem 21. März, 2007 haben wir dann in Schenkenschanz geheiratet. Ich kaufe bei Frau Hüls die Eheringe und ließ sie mit den Jahreszahlen "1972" und "2007" gravieren, dazwischen jeweils der Vorname des Partners. Diese Trauung hatten wir allerdings nur spaßeshalber und nur für uns vollzogen: Bernd übergab in Schenkenschanz einem Touristen ein Stück Papier mit der Bitte, den vorbereiteten Text vorzulesen, was dieser im Beisein seiner Frau und bei Regen und Wind auch gern tat. Als am Schluss der kleinen Rede die beiden Ja-Worte von uns verlangt wurden, da platzte es aus seiner Frau heraus: "Sie sind ja jetzt verheiratet!"

Was in Schenkenschanz nur gespielt war, soll allerdings möglichst bald nachgeholt werden. Die Parallelität unserer Gefühle füreinander ist so stark, dass nichts und niemand mehr diese Liebe in irgendeiner Weise gefährden kann. Wir leben und lieben heute in und an Wochenenden, aber diese Liebe hält temporäre Treffen aus. Wir trauern um jeden Montag, an dem wir uns trennen müssen und wir sehnen uns nach jedem Freitag – jede Woche aufs Neue.

Barbara Moeller-Keussen

Kamp-Lintfort

(RP)
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