Moers/Neukirchen-Vluyn Die Zeit der "bequemen Kirche" ist vorbei

Moers/Neukirchen-Vluyn · Gute Nachrichten - "Good News" -, darum geht es in den Projektgottesdiensten, die von dem Moerser Pfarrer Karsten Weidisch zelebriert werden. Er zeigt alles andere als eine "heile Welt" auf.

Das Kreuz mit dem Leichnam Jesu hängt hoch über den Köpfen der Gläubigen. Karsten Weidisch deutet auf das in lilafarbenes Licht getauchte Kruzifix: "Er hat uns in die Welt geschickt. Er kann das nicht mehr, er hängt ja da oben." Wenn Weidisch zum Mikrofon greift und durch die Kirche geht, dann klingt es oft flapsig, was er sagt. Dann spricht er über "Tabernakel-Fuzzis", die frömmelnd in der Kirche sitzen. Oder er sagt über die Schöpfung: "Am siebten Tag war alles so weit fertig, da konnte Gott knacken." Und "es war alles gut, bis der Mensch kam - na prost Mahlzeit."

Es ist ein Abend voller Gegensätze, den Weidisch gemeinsam mit dem Team des Regionalbüros Kinder- und Jugendseelsorge aus Xanten inszeniert. Erst ein Werbefilm für eine Praline, gedreht im Südsee-Paradies, dann Bilder von einem Tsunami, der vernichtend über das Land rollt. Auf der einen Seite die "gute Nachricht" vom Bund zwischen Gott und den Menschen nach der Sintflut, dann die Erinnerung an die Naturkatastrophen der vergangenen Jahre. Sonnenschein mit Vogelgezwitscher, gefolgt von Gewitter mit Blitz und Donner.

Es ist die Spannung zwischen der Schöpfung, wie sie in der Bibel beschrieben ist und der Realität, der man jeden Tag begegnet, die in dem Projektgottesdienst immer wieder thematisiert wird. Weidisch und sein Team setzen dabei auf moderne Effekte. Flackerndes Stroboskoplicht und Videofilme, bunt beleuchtete Wände - und nicht zuletzt Weidischs Stimme. Denn der Pfarrer aus Moers weiß sehr genau, wie er mit Betonung, Rhythmus und Stimmhöhe das Publikum - die Gemeinde - bei Laune hält.

Über mangelndes Interesse braucht er sich dabei nicht zu beklagen. Schon 15 Minuten vor Beginn des Gottesdienstes war kein Platz mehr in den Bänken frei, sogar mit einem Reisebus waren Gläubige angereist, um den Projektgottesdienst mitzufeiern.

Inzwischen hat sich eine richtige Fan-Gemeinde entwickelt, die zu den Projektgottesdiensten kommt. Und die auch mal mitten in der Messe, zum Beispiel nach der Predigt, spontan applaudiert. Ein Applaus, dem sich allerdings längst nicht alle Gottesdienstbesucher anschließen mochten.

Weidischs vielleicht wichtigste Botschaft: Die Zeit der "bequemen Kirche" ist vorbei. Die Gläubigen sollen sich bewegen und aktiv werden, statt nur in den Kirchenbänken zu hocken, fordert er. So wie Papst Franziskus, der sich mit seinen unkonventionellen Taten und Worten bei vielen Menschen Gehör verschafft. "Franziskus ist kein Tabernakel-Fuzzi, der nur den Petersdom anbetet", sagt Weidisch.

Nach der Premiere in Duisburg und der Messe am Sonntag sind bis Ende Juni noch weitere Messen in Asberg, Hochheide, Kamp-Lintfort und Meerbeck geplant.

(RP)
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