Moers Die Weinkönige vom Niederrhein

Moers · Morgen besucht Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das Unternehmen Niederrhein Gold in Kapellen. Vielen in der Region ist der Getränkehersteller nur als Saftabfüller bekannt. Doch inzwischen spielt auch Wein eine wichtige Rolle.

 Niederrhein Gold in Kapellen füllt 77 Millionen Liter Wein pro Jahr ab. n

Niederrhein Gold in Kapellen füllt 77 Millionen Liter Wein pro Jahr ab. n

Foto: Reichein/Tersteege

Michael Scholtes aus Minheim an der Mosel ist Winzer durch und durch. Weinproben in munterer Runde gehören bei ihm nicht nur zum Beruf, sondern machen ihm auch sichtbar Spaß. Aber Scholtes ist auch ein internationaler Jet-Setter in Sachen Wein. Nur wenige deutsche Önologen verbringen so viele Stunden im Flieger wie der Moselaner. Wenn er nicht Weinberge und Lieferanten in Südafrika, Chile oder Australien besucht, kümmert er sich in Moers-Kapellen um die drittgrößte Weinkellerei Deutschlands: Niederrhein Gold Tersteegen. Das 1936 als Mostkellerei Sellge gegründete Unternehmen empfängt morgen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die Landtagskandidat Ibrahim Yetim (SPD) zur Unterstützung seines Wahlkampfes in den Vorzeigebetrieb eingeladen hat.

Der wird auch in dritter Generation von Nachfahren der Familie Tersteegen und einem weiteren Gesellschafter geführt. Aus dem kleinen Mittelständler, der bis heute noch Äpfel aus der Umgebung im Tausch gegen Apfelsaft annimmt, ist eines der größten Moerser Unternehmen geworden. 360 Mitarbeiter setzen hier 440 Millionen Liter Saft und Wein pro Jahr um. Das entspricht pro Tag 90 Lkw, die das Unternehmen anfahren. Unter den deutschen Saftherstellern liegt Niederrhein Gold inzwischen auf Platz fünf. Nach Branchenangaben - das Unternehmen selbst gibt keine Zahlen bekannt - liegt der jährliche Umsatz bei 300 Millionen Euro. Während Obstsaft-Namen wie Niederrhein Gold und Copeo inzwischen Verbrauchern feste Begriffe sind, ist Tersteegen als Großmacht im Weingeschäft weitgehend unbekannt. "Wir haben das Geschäftsfeld 2004 im Zuge der Pfandflaschenverordnung als zweites Standbein aufgebaut, um unsere Glasabfüllanlagen besser auszunutzen", verrät Gesellschafterin Urda Tersteegen. Inzwischen werden in Moers am Rande der A 57 pro Jahr 77 Millionen Liter Wein abgefüllt. Das entspricht rund 110 Millionen Flaschen.

Hauptabnehmer ist ein Discounter der die Flaschen in seinem weltweiten Netz vertreibt. Da muss die Qualität konstant und der Preis unschlagbar sein. Dafür dass beides stimmt, ist Michael Scholtes verantwortlich. Ihm zuzuhören, wenn er erzählt, wie er bei seinen Reisen versucht, riesige Mengen Wein einzukaufen, die alle einem bestimmten Geschmacksprofil entsprechen müssen, ist genau so spannend wie einen Steillagenwinzer von der Mosel über die Unterschiede zwischen Quarzit- und Schieferböden philosophieren zu hören. So muss Scholtes es zum Beispiel schaffen, australische Lieferanten zu überzeugen, leichtere Weine zu erzeugen.

Bevor die Weintanks in den Ursprungsländern überhaupt auf die lange Reise an den Niederrhein geschickt werden dürfen, müssen die Lieferanten Proben einliefern, die in Labors unter anderem auf 350 verschiedene Pflanzenschutzmittel analysiert werden. Vor allem aber müssen sie den alles entscheidenden Test durch Mund und Nase des Önologen Scholtes passieren.

Der beendet eine Weinprobe gerne schon einmal, indem er die Besucher den Endverkaufspreis der verkosteten Flaschen raten lässt. Dann freut er sich wie ein Schneekönig, wenn er dem Publikum verrät, dass von zehn verkosteten Rot- und Weißweinen gerade einmal einer teurer als drei Euro war.

(RP)
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