Unsere Woche Die Wahl im Schatten der Wahl

Moers · Gebannt schauen die Moerser auf den Ausgang der Bundestagswahl. Leider muss man ihnen sagen, dass sie sehr wahrscheinlich zu den Verlieren zählen werden. Mit Sicherheit wird kein Moerser dem kommenden Parlament angehören, und mit größter Wahrscheinlichkeit wird der Wahlkreis 114 aufgrund der Listenplatzierung der Kandidatinnen nur noch mit zwei statt mit drei Abgeordneten vertreten sein.

Doch unmittelbar auf den Wahlsonntag steht eine andere Wahl an, an der zwar nur die Mitglieder des Moerser Rates teilnehmen können, die für die weiteren Geschicke der Stadt Moers aber große Bedeutung hat: Die kommunalen Abgeordneten müssen einen Nachfolger für Kornelia zum Kolk, die scheidende Beigeordnete finden. CDU und FDP haben sich bereits frühzeitig auf Claus Arndt, den Leiter der Abteilung E-Government der Stadt festgelegt.

Eine mutige Entscheidung. Oft führt die frühzeitige Nennung eines Namens dazu, dass der Kandidat für die Wahl verbrannt ist. Mutig auch deshalb, weil Arndt zwar an einer Schnittpunktstelle sitzt, aber nicht über die Erfahrung des Leiters einer großen Behörde verfügt. Von der Person her wäre Arndt eine gute Wahl: Er hat als neuer Geschäftsführer der Kultur GmbH gemeinsam mit Tim Isforth das Moers Festival aus höchster Not gerettet. Er ist ein Teamplayer, und er hat mit seinen Projekten zur digitalen Demokratisierung die Stadt nach vorne gebracht.

Nicht auszuschließen daher, dass sich auch das Bündnis für Moers für diesen Kandidaten entscheidet. Insbesondere Grüne und Grafschafter sollten Sympathien für den parteilosen Kandidaten haben. Bei der SPD hingegen hat für diesen Posten bislang die Marschroute gegolten: egal wer, Hauptsache ein Parteisoldat. Aus der Historie ist das sogar verständlich, gab es doch Zeiten, in denen man in Moers ohne Parteibuch keine Führungsposition in der Verwaltung erlangen konnte. Wie zu hören war, gibt es auch jetzt Stimmen in der Partei, die auf Biegen oder Brechen einen Genossen ins Amt hieven wollen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die SPD sich erst nach der Bundestagswahl auf einen Kandidaten festlegen will. Beim Wahlvolk kommt es nämlich in der Regel schlecht an, wenn wichtige Verwaltungsposten nach parteipolitischer Zugehörigkeit vergeben werden.

So gibt es mit Jochen Gottke einen Kandidaten, der in Neukirchen-Vluyn als Fraktionsvorsitzender und Bürgermeister-Kandidat politische Führungsaufgaben wahrgenommen hat und sich aus einer ganz ähnlichen Verwaltungsposition einer von der Größe her mit Moers vergleichbaren Stadt auf die Stelle bewirbt. Politisch und formal eine realistische Option. Allerdings dürften einige Moerser Genossen nicht unbedingt scharf auf einen Bewerber sein, der zwar bewiesen hat, dass er führen will, selbst aber möglicherweise nicht zu führen ist. Die Frage ist nur: Welche Alternativen hat die SPD? Und kann sie diese den Bündnispartnern schmackhaft machen? Am Dienstag soll es eine gemeinsame Fraktionssitzung der Bündnis-Parteien geben. Vorsorglich haben sich die drei Fraktionsvorsitzenden aber schon einmal für Mittwoch auf ein Spitzentreffen geeinigt. Gut möglich, dass dann erst die Entscheidung fällt.

Ein schönes Wochenende! juergen.stock@rheinische-post.de

(RP)
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