Sie werden am Sonntag auf der Feier in Düsseldorf ausgezeichnet Die Handwerksbesten kommen aus Moers

Moers · Die Handwerkskammer Düsseldorf ehrt am Sonntag vor 2500 Gästen auf der Meisterfeier die Besten des Nachwuchses. Inga Schröder und Nadine Raabe aus Moers gehören dazu, sie sind beste Jungmeisterinnen ihres Fachs. Beide legten die besten Meisterprüfungen ihres Handwerks ab, bestanden die vier Prüfungsteile Fachpraxis und -theorie, Betriebswirtschaftslehre und Berufspädagogik mit überdurchschnittlichen Leistungen.

 Nadine Raabe

Nadine Raabe

Foto: Handwerkskammer Düsseldorf

Nadine Raabe

 Inga Schröder

Inga Schröder

Foto: Handwerkskammer Düsseldorf

Büro ist nichts für mich!“ Diese Erkenntnis gewann Nadine Raabe nach dem Besuch der Höheren Handelsschule. Für sie wurden früh die Weichen Richtung Handwerk gestellt. „Ich komme aus einer Handwerkerfamilie, in der ich stets mit den Berufen Maler, Lackierer, Elektriker und Maßschneider konfrontiert wurde. Mein Vater ist Tischler. Mit ihm habe ich als Kind ständig gebastelt – mit Holz und Stich- oder Kreissäge und nicht mit Papier und Bastelkleber“, beschreibt sie ihre ersten Schritte ins Handwerk. Dass es für sie der Beruf der Orthopädieschuhmacherin werden würde, wurde erst nach einem Schicksalsschlag in ihrer Familie klar: „Durch meinen Großvater, der leider an einem Oberschenkel amputiert werden musste, bekam ich den ersten Kontakt zu orthopädischen Hilfsmitteln. Über ein Praktikum gewann ich Einblicke in das Berufsbild der Orthopädieschuhmacherei.“

Nach ihrer Gesellenprüfung war sie zunächst sieben Jahre in ihrem Ausbildungsbetrieb tätig, bevor sie ihren Arbeitgeber wechselte und sich mit 40 Jahren zum Besuch der Meisterschule entschloss.„Ich stand zu diesem Zeitpunkt voll im Leben. Ein ganzes Jahr Auszeit nehmen für die Weiterbildung war weder privat noch beruflich möglich. Also entschied ich mich für den Besuch von Abendkursen.“ Dass sie neben der Meisterprüfung auch den Titel der Jahresbesten ihres Fachs erlang, war nicht selbstverständlich. „Bei dem ganzen Prüfungsstress habe ich irgendwann nur noch auf Automatik geschaltet. Hierbei kam mir ganz bestimmt auch meine langjährige Berufserfahrung zugute. Ich selbst bin aber auch mein strengster Kritiker. Das nahm zum Ende dann solche Ausmaße an, dass mich selbst kleine Schönheitsfehler maßlos geärgert haben.“

Man spürt ihre Leidenschaft für ihren Beruf: „Auch wenn es abgedroschen klingt: Es ist ein gutes Gefühl, wenn ich mit meiner Arbeit Patienten ihre Lebensqualität oder Selbstständigkeit im Alltag zurückgeben oder die Ausübung ihres Berufes erhalten kann. Ich begleite die Patienten vom Schicksalsschlag bis zur Rückkehr in den Alltag. Es entsteht dabei nicht selten ein sehr inniges Vertrauensverhältnis.“

Für Sie kommt eine Gründung in ihrem Handwerk zurzeit nicht in Frage. „Ich stelle mich immer wieder gerne neuen Herausforderungen, schätze aber auch die Sicherheiten und Möglichkeiten bei meinem Arbeitgeber. Momentan leite ich die Abteilung Orthopädieschuhtechnik mit einem Team von 14 Mitarbeitern.“

Jugendlichen rät sie, keine Angst vor einer handwerklichen Tätigkeit zu haben. „Man sollte ruhig mal etwas für sich untypisches testen und ein Praktikum zu viel, statt zu wenig belegen. Außerdem heißt Handwerk nicht zwingend eine körperlich schwere und schmutzige Arbeit verrichten zu müssen. Meistens ist ein Beruf in der Praxis ganz anders und abwechslungsreicher, als man sich das vorstellt.“

 Nadine Raabe lebt ihre Kreativität aus. Sie zeichnet gerne, fährt Motorrad oder restauriert Oldtimer. Derzeit ist sie mit der Kernsanierung ihres Eigenheims beschäftigt.„Es wird Zeit, dass wir umdenken! Die nachfolgende Generation ist anders aufgewachsen. Der Umgang mit modernen Medien ist selbstverständlich geworden, nur handwerkliches Geschick muss bei ihnen erst entdeckt oder geübt werden. Die Herausforderungen liegen darin, bei Jugendlichen das Interesse zu wecken. Man kann im Handwerk nämlich Karriere machen und gut Geld verdienen!“

Inga Schröder

Für den Beruf des Friseurs muss man ein Interesse für Mode und Beauty mitbringen, „aber vor allem ist ein Gespür für Ästhetik wichtig“, sagt Inga Schröder. „Darüber hinaus ist das Erlernen des Handwerks in etwa so, als ob ich Geige oder Klavier lerne. Es gibt ganz selten Wunderkinder, die diese Instrumente im Schlaf beherrschen. Alle anderen müssen fleißig sein und immer wieder üben. So ist es auch im Handwerk. Fleiß und Hingabe für das, was man schaffen will sind unbedingt notwendig“, sagt sie. Am meisten gefällt ihr an ihrem Beruf, „jeden Tag andere Personen vor mir sitzen zu haben und ihnen etwas Gutes tun zu können, indem ich das Beste aus ihrem Typ heraushole. Das Wunderbare ist, ein direktes Feedback zu bekommen. Am liebsten begleite ich meine Kunden auf der Reise ihrer Typveränderung.“

Durch die Mitarbeit in der Maske des Theatervereins hat sich ihr Interesse an Haaren und Make-Up früh ausgeprägt. „In meiner Heimatstadt Straelen habe ich in der Maske des Theatervereins mitgewirkt. Dort konnte ich für die verschiedensten Stücke Frisuren gestalten.“

Als sie ihr Fachabitur mit dem Ausbildungsschwerpunkt Gestaltungstechnik und Objektdesign machte, merkte sie, dass sie gerne in diesem Bereich arbeitet. „Ich wollte mit meinen eigenen Händen etwas schaffen.“ Ihre beste Freundin machte ihr Mut und auch ihre Eltern waren „schnell an Bord“ und haben sie unterstützt.

Nach dem Realschulabschluss schloss sie ihr Fachabitur in Kombination mit der Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Assistentin am Berufskolleg für Technik in Moers ab. Von 2011 bis 2013 besuchte sie im Rahmen der Ausbildung die Elly-Heuss-Knapp-Schule in Düsseldorf. Zuvor absolvierte sie das berufsvorbereitende Lehrlingsseminar der Friseurschule in Forchheim, um im Anschluss daran ins fortgeschrittene Lehrjahr ihres Ausbildungsbetriebes in Düsseldorf einzusteigen. Ihr war es wichtig, „einen Salon zu finden, der besonders hohe Qualitätsstandards setzt, sowohl im täglichen Betrieb als auch in der Ausbildung des Nachwuchses.“ Ursprünglich sollte die Friseurausbildung nur das Fundament sein, weil ihr Ziel die Maskenbildnerei war. Dies ist heute nicht mehr so. Sie hat sich zwar auch als Make-up -Artist weitergebildet, mag jedoch „ihre Base“ im Salon.

Nicht ganz ein Jahr nach der Gesellenprüfung hat sie sich für das Pilotprojekt des deutschen Inspirational Youth Teams der Friseurmarke Tigi beworben und hatte die Ehre, eine von zehn Auserwählten aus Deutschland und Österreich zu sein, „die an diesem Projekt teilnehmen durften und eine Woche in London von einem Creative Team gecoacht wurden. Mit vielen neuen Skills durften wir, beim Kollektions-Release von Tigi auf der Bühne des Tempodrom in Berlin unsere eigenen Arbeiten präsentieren.“

Die Meisterschule hat Inga Schröder als Abendschule absolviert. Ihr Meisterprüfungsprojekt stand unter dem Thema „Popart“ und es sollte eine Hommage an diese Kunstrichtung geschaffen werden. Auch die klassischen Techniken des Friseurhandwerks, wie der Façon, das Hochstecken und die Dauerwelle wurden neben weiteren Situationsaufgaben abgenommen. Nach allen Prüfungen, „vielen Gedanken über das Meisterprüfungsprojekt und kreativen Ups and Downs“ hat sie jedoch nicht damit gerechnet, als Jahresbeste abzuschließen.

Derzeit ist sie in ihrem früheren Ausbildungsbetrieb in Düsseldorf beschäftigt. „Da ich bereits seit acht Jahren in diesem Salon tätig bin, habe ich schon Veränderungen innerhalb der Salonstruktur durchlebt, die auch Reaktionen auf Veränderungen des Marktes und der Branche sind. Den Nachwuchs im Salon bildet sie bereits seit einiger Zeit selber aus und gilt dort als visionäre Ausbilderin. „Das ist eine sehr wichtige und schöne Aufgabe. Der Nachwuchs von heute ist die Fachkraft von morgen“, sagt ihr Ausbildungsleiter, der „Head of Education“.

Als Ausgleich zur Arbeit hat sie neben Sport und Yoga noch ein weiteres Hobby. „Mein Freund und ich haben uns einen VW-Oldtimer gekauft, den wir restaurieren. Das ist eine super Abwechslung.“

(RP)
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