Das 40. Moers Festival Die ganze Welt ist ein Dorf

Moers · Dieses Dorf findet man nicht auf der Landkarte. Und dennoch ist seine Energie mitreißend, lebendig und vitalisierend. Seinen geografischen Schwerpunkt hat es meistens im Dortmunder Jazzclub Domicil, am Sonntag befand es sich mitten im Moerser Freizeitpark.

Moers Festival 2011: Die Bands vom Freitag
13 Bilder

Moers Festival 2011: Die Bands vom Freitag

13 Bilder

Und dort ließ es das Dorf richtig laut krachen — mit viel Blech, noch mehr Improvisation und verrückten, oft unerwarteten Klangwelten. "The Dorf", so heißt das Orchester, wurde 2006 von dem Saxofonisten und Komponisten Jan Klare mit Unterstützung des Dortmunder Jazzclubs gegründet. Dort kommen einmal im Monat bis zu 25 Musiker zusammen, die zum Who's Who der Ruhrgebietsszene gehören. Am Festivalsonntag holte die 25-Mann-Kapelle die Moerser um 14 Uhr aus ihrem Mittagsschläfchen und machte im Festivalzelt den Eisbrecher.

Wer der improvisierende Musikszene nicht hinterher reist, dem bescherte das Moers Festival das seltene Vergnügen, ein richtig großes Orchester zu erleben. Die Mannschaft vom "Dorf" sprengte regelrecht den Bühnenraum.

Die Musiker standen dicht an dicht mitten im ausladend üppigen Equipment und hatten sichtlich Spaß daran, das Festivalzelt zum Vibrieren zu bringen. Jan Klare im blau-geblümten Hemd war als Frontman leicht auszumachen. Doch der Komponist und Saxofonist ließ den Musikern Raum für viele Soli. Gemeinsam schufen sie atemberaubende Klanglandschaften — die zuweilen fremd wirkten, um dann wieder von Hör-Erinnerungen abgelöst zu werden: da ein kurzer Rhythmus, ein Groove, dort ein röhrender Heavy Metal mit ansteigendem Dezibel.

In die Erinnerung der Festivalbesucher hat sich auch ein anderer deutscher Beitrag gespielt: Als sich das rote Köfferchen der Band "Little Red Suitcase" öffnete, war es so, als ob sich das Zelt mit lauter poetischen und leichten Klängen erfüllen würde. Pianistin Johanna Borchert, die 2010 mit "Schneeweiß & Rosenrot" ihr Moers-Debüt gab, brachte am Samstag Unterstützung aus Spanien mit: Elena Setién sang sich mit ihrer unschuldig wirkenden Stimme, einer enormen Leichtigkeit und ein bisschen Exzentrik in die Herzen der Zuhörer. Was sie zu hören bekamen, war der charmant-poetische Part des langen Festivaltages — einfach nur schön.

Die Musikerinnen kennen sich vom Studium am Rhythmic Music Conservatory in Kopenhagen und sind seit einigen Jahren gemeinsam unterwegs. Der Höhepunkt ihres Festivalbeitrags war die Vertonung von Rilkes "Herbstgedicht", von dem Elena Setién scherzhaft behauptete, nicht zu wissen, um was es darin geht, um dann die Notenblätter auf den Boden fallenzulassen wie der Wind das Laub der Bäume.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort