Moers Der Unruhestifter von Moers

Moers · Die kleine Großstadt Moers am Niederrhein hat ein großes Problem: Um den Neonazi Kevin G. kommt es seit Jahren zu handfesten Konflikten. Jüngst verhinderte die Polizei eine Massenschlägerei mit 40 Türken. Die vorerst letzte Episode einer ewigen Geschichte um Gewalt und Rechtsextremismus.

 Kevin G. auf einer Neonazi-Demo in Moers, Juni 2005. Er selbst hatte die Kundgebung - Titel: "gegen kriminelle Multikultur" - angemeldet.

Kevin G. auf einer Neonazi-Demo in Moers, Juni 2005. Er selbst hatte die Kundgebung - Titel: "gegen kriminelle Multikultur" - angemeldet.

Foto: RP/Krebs

Es ist ein Kampf. Immerfort, immer wieder. Mal gegen Linke, mal gegen Türken. Mal ist es Randale in einer Moschee, mal ist eine Rechtsradikalen-Demo, mal ist es Krawall in einer Kneipe. Diesmal wäre es beinahe eine Massenschlägerei mit 40 Migranten gewesen. Immer mitten drin: Kevin G., 26 Jahre, Lagerarbeiter, unverheiratet, ein Sohn (Kevin), stadtbekannter Neonazi in der kleinen Großstadt Moers am Niederrhein, acht Mal vorbestraft unter anderem wegen Volksverhetzung, Körperverletzung, Hausfriedensbruchs, bislang immer wieder auf Bewährung.

 Proteste gegen eine Neonazi-Demonstration, Juni 2003: Auch türkisch-stämmige Migranten machten ihrem Unmut Luft.

Proteste gegen eine Neonazi-Demonstration, Juni 2003: Auch türkisch-stämmige Migranten machten ihrem Unmut Luft.

Foto: RP/Dieker

Es ist immer Kevins Kampf, aber nicht immer ist er es, der ihn anfängt. Doch viele wissen, dass der 1,90-Meter-Hüne mit geschätzten 100 Kilo Masse in Rage und unter Alkoholeinfluss leicht zuschlagen kann - und provozieren ihn. In zehn Jahren hat sich der 26-Jährige einen Ruf als gewaltbereiter Neonazi "erarbeitet" und ist zum Feindbild für Linke und Migranten geworden. "Es gibt so viele Gerüchte über mich. Immer werde ich als total aggressiv dargestellt", klagt er. "Ich habe diesmal nichts getan."

Mit dem Nichts-Tun ist es so eine Sache, weiß der Duisburger Polizeipressesprecher Achim Blättermann. "Er muss ja nicht handgreiflich geworden sein. Wenn man mich schief anguckt und sagt Sch...-Bulle. Da würde ich auch drauf anspringen", sagt Blättermann. So oder ähnlich dürfte sich der Vorfall abgespielt haben, der sich an einem Freitagabend Ende Juni in einem Schnellrestaurant zutrug. Kevin und seine Freunde wollten in der Hamburger-Bräterei Essen bestellen, Ertan (19) und seine Freundin ebenfalls. Einer von Kevins Freunden habe einen Hitlergruß und Kevin habe den Mittelfinger gezeigt, sagt der Jung-Unternehmer, der sich nach eigenen Angaben so bedroht fühlte, dass er per Handy Verstärkung anforderte. Nach Tumulten kam die Polizei und nahm G. in Schutzgewahrsam.

"Wie Asterix und Obelix gegen die Römer"

Der Konflikt fand seine Fortsetzung, als G. ein Wochenende später nachts auf der Straße angegriffen wurde, und er gipfelte eine weitere Woche später in einem Belagerungszustand: 40 Migranten, teils mit Schlagstöcken und Eisenketten bewaffnet, versammelten sich vor Kevins Wohnung. Der seinerseits einen Baseballschläger nach den Belagerern warf und mit einem Verwandten auf die Menge zulief. "Ich kam mir vor wie Asterix und Obelix gegen die Römer. Nur dass ich meinen Zaubertrank vergessen hatte", erzählt G. Die Polizei verhinderte die Massenschlägerei. Damit endet die vorläufig letzte Episode von "Kevin gegen den Rest der Welt".

Manche Polizisten halten das für "Besoffenenkram". Auch Wilfried Albishausen vom Bund deutscher Kriminalbeamter hält die politische Dimension für zweitrangig: "Das ist kein Hochintellektueller im Hinterzimmer. Es gibt Leute, die brauchen Schlägereien als Bestätigung für ihr Ego. Die wollen sich interessant vorkommen, wollen provozieren. Die können rechts oder links sein." Ins Bild passt da auch die Einschätzung eines Polizisten vor Ort: "Wenn der nix getrunken hat, ist das ein netter Kerl", sagte er über Kevin.

Konstante Figur in der rechten Szene

Andere geben den Ereignissen eine politische Dimension: "G. ist eine konstante Figur in der rechten Szene. Er schafft es immer wieder, junge Leute anzusprechen. Dieser Erlebnisklimbim mit Rechtsrock ist Teil der Neonazi-Szene." Dafür spricht, dass sich die Rechten aus Moers und Rheinberg als Kameradschaft im Internet präsentieren. An vorderster Front schreibt: Kevin G. Wer dort liest, wie er Türken mit Affen vergleicht, mag sich wundern, dass es nicht längst geknallt hat.

Wenn ein stadtbekannter Neonazi in einem Stadtteil mit 80 Prozent Ausländern wohnt, entwickelt das zwangsläufig eine ungesunde Eigendynamik. G. ist noch dazu nach eigenen Angaben "bekennender Nationalist". Aus "Exit", dem Aussteiger-Programm für Rechtsextreme, ist er schnell wieder ausgestiegen. Den skurrilen Widerspruch, dass ausgerechnet ein Halbitaliener gegen Ausländer wettert, löst G. mit Selbstbetrug: für Pizza, gegen Döner. Für den Psychologen Helmut Lukesch ein typischer Fall von Überidentifikation: "Jemand identifiziert sich mit der Gruppe, von der er fürchtet, ausgeschlossen zu werden. Deshalb will er wohl den Superdeutschen geben."

Kevin G. will nach Ostdeutschland

Kevin G. hat nun angekündigt, die Stadt verlassen zu wollen: "Ich will nach Ostdeutschland."

(RP)
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