London Ein Moerser in London

London · Klaus Kabelitz wurde in Moers geboren, lebt jetzt aber in der Millionenmetropole in Großbritannien.

 Klaus Kabelitz lebt und arbeitet in der Millionenmetropole London.

Klaus Kabelitz lebt und arbeitet in der Millionenmetropole London.

Foto: dpa

Für London-Touristen ist die Gegend ein Muss. Da ist das Kaufhaus Harrods mit seinem atemberaubenden Luxus, da sind Boutiquen von Dior, Chanel, Armani, da ist ein Showroom des Sportwagenherstellers McLaren. Die Wohnhäuser wirken gediegen, kleine private Parks bilden – leider eingezäunte – grüne Oasen.

In diesem exquisiten Stück London, dem Royal Borough of Kensigton and Chelsea, liegt der Arbeitsplatz von Klaus Kabelitz. Der gebürtige Moerser ist Direktor des Belmond Cadogan, des mit 54 Zimmern „kleinsten Luxushotels“ der Stadt, wie er selbst sagt. Es ist ein Traumberuf mit klitzekleinem Makel: Das Hotel gibt es – noch – gar nicht. Seit Juli 2015 wird das altehrwürdigen Gebäude saniert und umgebaut. Ein früher angekündigtes Eröffnungsdatum ist längst verstrichen. Nun fiebert Kabelitz dem Ende 2018 entgegen. „Im November ist die Übergabe, im Dezember Eröffnung“, sagt er froh. „Ich brauche endlich wieder Hotelluft.“

Kabelitz atmet diese Luft wie andere reinen Sauerstoff. Als Schüler am Gymnasium Rheinkamp sah er den Film „Menschen im Hotel“ – ein Klassiker des deutschen Nachkriegskinos mit O.W. Fischer und Heinz Rühmann – und hatte seine Bestimmung gefunden. „Das gefiel mir. Ich sagte mir: Den Job willst Du machen.“ Er absolvierte ein Praktikum im Hilton Düsseldorf. Als er sich dann 1979 um eine von sechs Lehrstellen zum Hotelkaufmann bewarb, gehörte er zu den Glücklichen, die unter 200 Bewerbern ausgewählt wurden.

Es war der Start in ein Leben als Tag und Nacht arbeitender Mensch in Hotels, vor allem in London, aber auch in Paris, Berlin Genf, Nairobi, Kairo, New York ... „Als Hoteldirektor ist man morgens als erster da und kriegt abends als letzter etwas zu essen.“ Doch ja, auch ein Privatleben lasse sich einrichten. Aber vom Achtstunden-Arbeitsraster mit freien Wochenenden musste er sich verabschieden. Kabelitz betreute Häuser wie Le Richmond, Claridge‘s, The Berkeley oder Fours Seasons. Er kümmerte sich um Gäste wie die Rolling Stones, Arnold Schwarzenegger, Sting und Michael Jackson. Mit leuchtenden Augen erzählt er, wie er mal eine ganze Hoteletage für die Sängerin Madonna freiziehen und neu stylen ließ. „Madonna wollte alles modern und minimalistisch.“ Kabelitz liebt es, als Hoteldirektor vor solche Herausforderungen gestellt zu werden. „Man weiß nie, was kommt. Ich könnte mir keinen anderen Job vorstellen.“

Das Angebot, zur Belmond zu wechseln, erhielt Kabelitz vor drei Jahren, als Belmond den Betrieb des Cadogan-Hotels übernahm. Belmond betreibt Hotels, Reisezüge, Kreuzfahrtschiffe, alles auf Top-Niveau. Eigentümer des Belmond Cadogan ist eine Grundstücksgesellschaft, an deren Spitze der Earl of Cadogan steht, ein adliger Multimilliardär, dessen Familie über einen Haufen von Grundstücken im teuren Londoner Stadtteil Chelsea verfügt. „Der Umbau des Hotels kostet 48 Millionen Dollar“, sagt Kabelitz. „Also gut eine Million pro Zimmer.“ Das denkmalgeschützte Gemäuer wurde entkernt, ein zweiter Keller für die technischen Anlagen ausgehoben. Aufwendig war auch die Entsorgung von Asbest, einer Altlast aus den 60er Jahren.

„Das Hotel hat viel erlebt“, sagt Kabelitz. Es wurde 1887 in mehreren früheren „Town Houses“ (Stadthäusern) eingerichtet. Eines davon gehörte Lillie Langtry (1853-1929), einer Schönheitsikone ihrer Zeit und Geliebte des Prinzen von Wales, des späteren Königs Edward VII. „Nachdem sie ihr Haus an das Hotel verkauft hatte, kam sie als Gast wieder“, schildert Kabelitz. „Ihr Wohnzimmer wurde Teil des Restaurants.“

Ein anderer Prominenter, Oscar Wilde, ist Schuld daran, dass eines der 54 Zimmer des Belmond Cadogan die Nummer „118“ tragen wird. Im Zimmer 118 des alten Hotels pflegte der Schriftsteller und Lebemann abzusteigen. Eben dort wurde er am 6. April 1895 verhaftet, um wegen „homosexueller Unzucht“ zwei Jahre im Knast zu landen – ein gesellschaftlicher Skandal erster Klasse. Der englische Dichter John Betjeman widmete dem Ereignis später eine Ballade, „The Arrest of Oscar Wilde at the Cadogan Hotel“.

Sein Büro hat Klaus Kabelitz in einer Seitenstraße in der Nähe der Hotel-Baustelle. Auch als „Hoteldirektor ohne Hotel“ gerät er nicht in Gefahr, sich zu langweilen. Er ist stolz darauf, das Belmond Cadogan schon Monate vor der Eröffnung bei Luxus-Reiseanbietern wie American-Express und Virtuoso platziert zu haben. Und jüngst machte die Verpflichtung des Küchenchefs für das Hotelrestaurant Schlagzeilen in der Fachpresse: Es ist Adam Handling, ein vielgelobter Jungstar der britischen Gastronomie.

Was die Auswahl des eigentlichen Hotelpersonals angeht, lautet Klaus Kabelitz Maxime „People first“. Die Menschen seien am wichtigsten, „dann kommt das Produkt, der Profit als letztes.“ Es sei schwer, Mitarbeiter mit echter Hingabe und Liebe zum Detail zu finden. „Mit ist jemand ohne Ausbildung, aber mit einer guten Einstellung lieber, den ich dann selbst ausbilden kann.“

Und die niederrheinische Heimat? Viermal im Jahr besuche er seine Familie in Repelen, sagt Kabelitz. „Ich bin der einzige, der weggegangen ist.“ Dann freut er sich auf Gulasch, frischen gedeckten Apfelkuchen mit Sahne und entspannende Spaziergänge am Rhein. „Aber nach drei Tagen kribbelt’s wieder.“ Weil ihm etwas fehlt. Na, was wohl: Hotelluft.

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