Moers Das Leben träumen
Moers · Mit der Premiere von Calderóns "Das Leben ist Traum" hat das Schlosstheater die sanierte Theaterhalle am Solimare neu eingeweiht. Regisseurin Nada Kokotovic erfreut mit einer gelungenen Inszenierung des Barockdramas.
Viel verändert hat sich nicht in der Theaterhalle am Solimare in Moers: "Die Lampen sind neu", betonte Intendant Ulrich Greb süffisant vor der Aufführung des Calderón-Stücks "Das Leben ist Traum" und blickte sich in der riesigen Halle um, die einst Tennishalle war. Auch die Sanitäranlage gab es noch nicht vor der Umbaumaßnahme, die im Sommer notwendig geworden war. Das, was die Premierengäste nicht auf dem ersten Blick sahen, hatte den Spielbetrieb in der Theaterhalle für Monate lahm gelegt: die nötigen Brandschutzmaßnahmen. "Sie sind hier jetzt absolut sicher", sagte der Intendant, bevor er das Publikum zu seinen Plätzen führte. Wer Calderón in der Theaterhalle sehen möchte, muss erst Paulus passieren: Auf dem alten Bodenbelag der Tennishalle geht es links vorbei am steinigen Bühnenbild der Paulus-Inszenierung.
Temporeiches Spiel
Im hinteren Teil der Halle, aber immerhin auf einer Fläche von insgesamt 700 Quadratmetern, wartet Calderóns "Leben ist Traum" aufs Publikum, das dem Spiel um Schein und Sein, Traum und Wirklichkeit, Intrige und Macht auf der Spur ist. Ein Bühnenraum, den sich Nada Kokotovic und die sieben Schauspieler trotz seiner enormen, fast schon "barocken" Größe wunderbar erobert haben. Das Publikum erlebt ein sehr spielfreudiges Ensemble, das deutlich größer ist als sonst: Neben den fest engagierten Schlosstheater-Schauspielern Ekkehard Freye, Frank Wickermann und Angelika Baumgartner spielen Christian Higer, Natalie Forester, Joachim Berger und Bastian Heidenreich als Gäste in der Inszenierung der kroatischen Regisseurin Nada Kokotovic mit. Ihre Interpretation des Klassiker, den Calderón mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges schrieb, kommt mit einer theatralen Wucht daher, die atemberaubend ist. "Das Leben ist Traum" ist zum einen Sprechtheater pur, komplex und wortreich, zum anderen ein temporeiches Spiel, das die Schauspieler in Bewegung hält. Mehr als einmal durchmessen Ekkehard Freye als Zygmunt oder Angelika Baumgartner als Rosaura im Sprint die riesige Bühne. Und Frank Wickermann stürmt als König Basilius im wehenden roten Mantel auf die Bühne, als wolle er mit dem Kopf durch die Wand. Basilius war geweissagt worden, dass sein Sohn als Tyrann über Polen herrschen würde. Aus Angst davor ließ er ihn als Kind in ein Verließ sperren, stellt später ihn jedoch auf die Probe: Er wird betäubt, ins Schloss gebracht, über seine Identität aufgeklärt, aber im Glauben gelassen, es handele sich um einen Traum. Wesentliche dramaturgische Änderungen hat Kokotovic am Text kaum vorgenommen, lediglich einige Kürzungen. Und doch stellt sie die existentiellen Daseinsfragen so, dass sie noch heute Gültigkeit haben. "In dieser Welt träumen alle ihr Leben", schreit Zygmunt (Ekkehard Freye), als er das Verließ verlässt, um dann zweifelnd zu fragen: "Bin ich wach oder bin ich es nicht."
Oft lässt Kokotovic die Schauspieler Calderóns Verse wie Verlautbarungen in einem monotonen Gleichklang deklamieren. Das ist nicht neu oder überraschend, darin liegen aber Humorvolles und Komisches, die das Stück sehenswert machen. Den Bühnenraum hat sie sich mit wenigen Mitteln erobert: Rot gestrichene Wände werfen rote Schatten. Ein Thron aus Draht, ein Drahtkäfig als Gefängnis, grau gekleidete Schauspieler als Kontrast zum Bühnen-Rot, das Krieg, Macht und Blutvergießen symbolisieren soll. Das höfische Leben mit seinen Intrigen um die Königwürde steckt die Regisseurin in starre rote Gewänder, so dass die Figuren wie aus Stein gemeißelt wirken.