Serie Verschwundene Orte Brennerei zwischen Staub und Spinnweben

Moers · Die Schnapsbrennerei im Haus Heideck stellte vor sieben Jahrzehnten den Betrieb ein. Die Apparate im Keller des historischen Gebäudes existieren aber bis heute. Sie erzählen eine von einer langen Geschichte.

Serie Verschwundene Orte: Brennerei zwischen Staub und Spinnweben
Foto: Marcus

In dem Gebäude scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Im Keller befinden sich drei Maischgefäße, die vor sich hinrosten. Staub und Spinnweben haben diesen in Besitz genommen. In den vergangenen sieben Jahrzehnten sind dort nur wenige Personen eingetreten, die meisten davon nur für einen kurzen Augenblick. Auch Liebhaber verlassener Orte haben die einstige Brennerei im Haus Heideck nicht entdeckt - noch nicht.

Dabei sind nicht nur die Maischgefäße ein faszinierender Anblick, sondern auch die zwei Destillationskolonnen, die im Hauptraum davor ins Licht ragen. Diese Apparate, die aus dunkel gestrichenem Gusseisen bestehen, streben noch empor, auch wenn sie seit sieben Jahrzehnten nicht mehr dampfen. Sie symbolisieren Aufstieg und Zerfall. Sie sorgen für eine Atmosphäre, welche die Liebhaber verlassener Orte beeindruckt.

Über die Brennerei mit Staub und Spinnweben gibt es nur spärliche Informationen. Möglicherweise begann die Familie Struken, die 1875 Haus Heideck erwarb, dort eine Schnapsbrennerei einzurichten. Das könnte in den 1880er Jahren gewesen sein. Um den Absatz zu steigern, nahm die Brennerei an mehreren nationalen und internationalen Ausstellungen teil, wie es im ausgehenden 19. Jahrhundert auch viele Brauereien und Spirituosenhersteller machten, etwa Underberg in Rheinberg. So gewann sie mehrere Goldmedaillen, beispielsweise in Kairo. Oder sie wurde 1895 auf einer Wanderausstellung in Köln "gekrönt". Die Brennerei bewarb sich bei diesen Ausstellungen mit den "Reichsperlen", einem Doppelkorn. Wie es in der Wilhelminischen Epoche üblich war, betonte sie, dass dieser Doppelkorn vom "Rittergut Haus Heideck" bei Rheinberg stamme. Vermutlich wurde dieser aus Roggen hergestellt.

Parallel zu den Ausstellungen ließ Familie Struken die Geschichte von Haus Heideck rekonstruieren. Diese Aufgabe wurde von "P. Geyer" übernommen, von dem eine Unterhaltungsbeilage für die Zeitungen erstellt wurde, die den Titel trug: "Das Haus und ehemalige Rittergut Heideck bei Rheinberg".

Bis kurz vor oder nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Brennerei noch Schnaps hergestellt. Bislang wurden keine Aufzeichnungen entdeckt, wann die Produktion eingestellt wurde, selbst wenn noch einige Dokumente vorhanden sein könnten, beispielsweise über die hergestellten Liter Schnaps, weil dafür Branntweinsteuer zu entrichten war. Die Anlage blieb erhalten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde wohl damit geliebäugelt, die Riemen der Transmission, des "Getriebes", wieder in Bewegung zu setzen, die von einer Dampfmaschine bewegt worden waren. Doch aus der Wiederinbetriebnahme wurde nichts. Der Dampfkessel mit Zylindern wurde irgendwann ausgebaut. Der Rest der Brennerei blieb unverändert, vermutlich weil ein Ausbau mehr Geld gekostet hätte, als der Eisenschrott eingebracht hätte. Dazu kommt seit 1982 die Obere Denkmalbehörde aus Pulheim-Brauweiler. Sie ließ Haus Heideck mit der Brennerei unter Denkmalschutz stellen. Bekannter unter historisch Interessierten wurde das Ensemble dadurch nicht.

Vielleicht hängt das mit der Lage zusammen. Es befindet sich am nordwestlichen Rand von Rheinberg-Alpsray, gehört aber zur Stadt Kamp-Lintfort. So soll es in den vergangenen 15 Jahren nur eine Anfrage für eine Besichtigung gegeben haben, obwohl dies nach telefonischer Anfrage (Rufnummer 02843 50306) ohne Weiteres möglich ist.

(RP)
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