Betreuungsdienst aus Moers übt Kritik „Ein undurchsichtiges Sytem“

Moers · Wenn ein Mensch zu Hause hauswirtschaftlich unterstützt werden will, muss er sich durch ein Geflecht Regelungen kämpfen. Die Vesta-Pflege GmbH mit Sitz in Moers kritisert das.

 Viel mehr als eine Haushaltshilfe: Jennifer Ficko (l.) geht Helene Rohmann nicht praktisch nur im Alltag zur Hand. Die Verbindung besteht auch auf einer sozialen, persönlichen Ebene.

Viel mehr als eine Haushaltshilfe: Jennifer Ficko (l.) geht Helene Rohmann nicht praktisch nur im Alltag zur Hand. Die Verbindung besteht auch auf einer sozialen, persönlichen Ebene.

Foto: Alexander Florié-Albrecht

Langsam steht Helene Rohmann aus ihrem Sessel auf, geht Betreuerin Jennifer Ficko entgegen und reicht der jungen Frau einen Lappen, damit sie den Wohnzimmerschrank vom Staub befreien kann. „Da oben komme ich so nicht mehr gut dran“, sagt die 86-Jährige, die seit zwei Jahre die Dienste der Vesta-Pflege GmbH mit Sitz in Moers in Anspruch nimmt.

Seit 34 Jahren wohnt Rohmann in ihrer Wohnung an der Rundstraße. „Ich hab als Kind schon meine drei Geschwister großgezogen“, erzählt sie. Später war die Hausfrau für ihren Mann und die Tochter da. „Da warst du alles – Mutter, Psychologin, Erzieherin, Krankenschwester und Gärtnerin in einer Person“, erzählt die Seniorin und schmunzelt. Früher sei sie mit ihrem Mann viel auf Reisen gegangen, heute gehe sie gerade mal auf den Markt. „Und mit Maske macht das keinen Spaß.“

Einmal pro Woche kommt deshalb Jennifer Ficko bei ihr vorbei, erledigt alle Dinge, die Helene Rohmann selbst so nicht mehr erledigen kann; ob das nun Staubsaugen, den Schrank abwischen oder das Bett machen ist. Oder sie begleitet sie zur Bank, zum Arzt – oder kommt einfach, um sich mit ihr zu beschäftigen. „Dann geht wir halt auch mal spazieren, das schöne Wetter genießen. Oder wir machen Gesellschaftsspiele“, erzählt die 38-Jährige, die seit 2018 festes Team-Mitglied bei Vesta ist. „Die Besuche tun mir gut, sonst wäre das Gespräch mit dem Fernseher doch einseitig“, betont die Seniorin.

Die Sache mit der Abrechnung hat Helene Rohmann der Vesta-Pflege GmbH überlassen. „Das ist schon ziemlich kompliziert und undurchsichtig“, gesteht ihre Tochter Katrin. „Denn wer weiß schon, was man genau wann wie als Leistung abrechnen darf“, sagt sie. Und manch einer wisse auch nicht, was man als Betreuungsdienst für Aufgaben habe, ergänzt Ficko. „Ich wurde schon gefragt, ob auch Pflege dabei ist oder ob ich auch mal die Hecke schneiden kann.“

Wenn es um die finanzielle Unterstützung geht, seien viele ihrer Kunden und deren Angehörige nicht orientiert – diese Erfahrung hat auch Vesta-Geschäftsführerin Tatjana Gehweiler gemacht. „Das Problem ist die Frage, welche Gelder bei der Kasse überhaupt zur Verfügung stehen, wenn jemand einen Angehörigen pflegt und von uns die Entlastung will“, sagt sie. „Was kann man abrufen, wie kann man das Geld abrufen, bei wem muss man sich melden. Das ist sehr kompliziert gemacht.“ Auch wenn die Kassen von sich aus informieren, seien viele Dinge am Telefon einfach schwer zu verstehen.

„Deshalb machen wir mittlerweile kostenlose Beratungen, weil die Menschen damit nicht klar kommen“, sagt Gehweiler. Schließlich gebe es diverse Finanzposten, die bei der Pflege und Betreuung eine Rolle spielten. Neben einem grundlegenden Sockel-Entlastungsbetrag von 125 Euro unabhängig vom Pflegegrad der zu versorgenden Personen könnten Betroffene ab dem Pflegegrad 2 auf andere Versorgungsmöglichkeiten zurückgreifen, die mit höherem Pflegegrad steigen, erklärt die Expertin.

Dazu, sagt Gehweiler, kämen Pflegesachleistungen, die ab dem Pflegegrad 2 beantragt werden könnten. Von diesen könnten Pflegebedürftige dann bis zu vierzig Prozent für ihre stundenweise Betreuung durch zugelassene Betreuungs- und Pflegedienste abrufen, die dadurch den Angehörigen Luft für sich verschaffen.

„Wir rechnen unsere Dienste mit den Kassen ab, dafür haben wir eine Zulassung vom Kreis Wesel erhalten“, erläutert Gehweiler. „Wir vereinbaren mit den Kunden einen Vertrag, in dem auch alle Preise für die Leistungen aufgeführt sind.“

Was viele in dem Zusammenhang nicht wüssten, sei, dass mit dem steigenden Anteil an Pflegesachleistungen entsprechend auch das Pflegegeld gekürzt wird, erklärt die Geschäftsführerin. Denn Pflegegeld und Pflegesachsachleistung seien miteinander verbunden. Je nach Pflegegrad und Inanspruchnahme der Sachleistung könne man als ambulanter Betreuungsdienst also mehr oder weniger Leistungen anbieten.

Auch was die „Verhinderungspflege“ angeht, die greift, wenn eine private Pflegeperson vorübergehend die Versorgung der pflegebedürtigen Person nicht sicherstellen kann, tappten einige Kunden im Dunkeln, sagt Gehweiler. „Der Person muss mindestens der Pflegegrad 2 zugewiesen sein, und sie muss mindestens sechs Monate lang in ihrer häuslichen Umgebung durch eine oder mehrere Privatpersonen gepflegt worden sein. Erst dann greift die Verhinderungspflege.“

Nötig, da sind sich alle Beteiligten einig, sei bei diesem Thema zum einen mehr Aufklärung, aber auch mehr Transparenz und eine einfachere Sprache. Gerade viele ältere Menschen kämen mit diesem Geflecht aus Zahlungen und Zahlen nicht zurecht, kritisiert Gehweiler. Die Betreuungsdienst-Geschäftsführerin würde sich wünschen, dass die Kassen oder der medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) schon beim Antrag des Pflegegeldes in vereinfachter Form für Aufklärung sorgen. „Vielleicht könnte man durch eine Tabelle oder einen Text klarmachen, hier steht das zur Verfügung, so wird das berechnet“, sagt sie.

Auf der anderen Seite, erklärt die Praktikerin, sei es für die Dienste auch oft schwer nachzuvollziehen, was die Menschen finanziell am Ende für ihre Leistungen zur Verfügung hätten. „Denn oft kommt zu der hauswirtschaftlichen Hilfe ja noch ein Pflegedienst dazu – und beide Dienste rechnen bei der Krankenkasse ab.“ Somit wisse man als Dienstleister oft gar nicht, mit wie viel Geld man selbst rechnen und in welchem Umfang man Leistungen überhaupt erbringen könne. „Wegen des Datenschutzes arbeiten faktisch blind“, sagt  Gehweiler. Im schlimmsten Fall könne eine Hilfe deshalb komplett abbrechen. Das sei bislang aber noch nicht nötig gewesen. Denn immerhin stehe eine grundlegende Entlastungssumme von 125 Euro zur Verfügung. Damit könne man auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten mit finanzieren.

Helene Rohmann jedenfalls freut sich über die regelmäßige Hilfe, die auch diese stark soziale und persönliche Ebene hat. Und Jennifer Ficko freut sich darüber, dass sie über den persönlichen Austausch dafür sorgen kann, dass die 86-Jährige auch weiterhin am Leben teilhaben kann.

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