Moers Bethanien behandelt Jungen aus Gaza

Moers · Das Friedensdorf Oberhausen hat verletzte und kranke Kinder aus Gaza ausgeflogen. In Moers werden einige davon versorgt.

 Im Untersuchungszimmer: Dr. Christian Illian, Oberarzt der Unfallchirurgie, Schwester Andrea Ritter und ein Junge aus Gaza, der zurzeit im Friedensdorf Oberhausen lebt.

Im Untersuchungszimmer: Dr. Christian Illian, Oberarzt der Unfallchirurgie, Schwester Andrea Ritter und ein Junge aus Gaza, der zurzeit im Friedensdorf Oberhausen lebt.

Foto: klaus dieker

Der Junge trippelt auf Krücken ins Untersuchungszimmer, sein linkes Bein ist in einem Metallgestell fixiert. Dr. Christian Illian hilft ihm auf eine Liege. Ein Lächeln huscht über das Gesicht des Kindes, das unter einem offenen Bruch des Unterschenkels mit Entzündung des Knochens leidet. Eine Verletzung, wie sie in Deutschland bei Kindern praktisch nicht vorkomme, sagt Illian. Der Junge kommt aus Gaza. Illian, Oberarzt der Unfallchirurgie am Bethanien-Krankenhaus, hat ihn bereits nach seiner Ankunft in Deutschland untersucht. Demnächst wird er ihn operieren.

Schon oft wurden am Bethanien Kinder aus dem Friedensdorf Oberhausen behandelt. Jetzt sind erstmals Kinder aus Gaza darunter. Das Friedensdorf, das sich seit 1967 um verletzte und kranke Kinder aus Krisengebieten kümmert, hat vor zwei Wochen 42 Mädchen und Jungen aus Gaza ausgeflogen. In die palästinensischen Autonomiegebiete durften die Helfer nicht einreisen, so wurden die Kinder zunächst nach Kairo transportiert, von wo der Flug nach Düsseldorf ging. Der Junge, den Dr. Illian untersucht, ist neun Jahre alt. Mehr über ihn will Hanna Lohmann, Mitarbeiterin des Friedensdorfs, gegenüber der Presse aus Sicherheitsgründen nicht verraten.

Und woher die Verletzung stammt? Für Illian ist das unerheblich. Was zählt ist: Das Kind braucht Hilfe. "Die meisten Kinder sind traumatisiert und wollen nicht erzählen, wie sie verletzt wurden", erzählt der Arzt aus seinen Erfahrungen mit den Patienten aus Krisengebieten. "Es gibt aber auch ältere Kinder, die den Angriff eines Kampfflugzeugs oder die Explosion einer Granate genau schildern. Unvorstellbar, was die erlebt haben!"

Offene Brüche, offene Wunden, Entzündungen - typische Verletzungen, die in den Heimatländern der Kinder oft kaum behandelt werden können. Am Bethanien (und vielen anderen Krankenhäusern) werden die Kinder kostenlos versorgt. Das Krankenhaus ist bemüht, die Kosten über Sponsoren und Spenden zu decken. "Es gibt auch Firmen, die Medizin-Produkte unentgeltlich zur Verfügung stellen", sagt Illian. Die Sachspenden der Unternehmen gehen manchmal in die Hunderttausende - ohne, dass dies groß an die Öffentlichkeit dringe.

Ein halbes Jahr könne es dauern, bis die Verletzung des Neunjährigen aus Gaza ausheilt, schätzt Dr. Illian. Bis er wieder in seine Heimat kann, wird der Junge im Friedensdorf Oberhausen bleiben. "Die Kinder haben kaum Heimweh", hat der Arzt festgestellt. "Und es gibt kein Kind, das nur weint, wenn es bei uns ankommt."

Oft hört der Arzt von früheren Patienten nochmal. Wie neulich von einem Mädchen aus Afghanistan, das wieder bei seiner Familie ist. Sie schickte über das Friedensdorf ein Foto und Grüße: "Ich bin eine gute Schülerin und habe keine Schmerzen." Solche Briefe seien für ihn das Schönste, sagt der Arzt, selbst Vater von zwei Kindern im Alter von zwei und fünf Jahren.

Ob er bei seiner Arbeit manchmal an sie denkt? "Schwierige Frage . . . Man kann froh sein, dass man hier lebt."

(RP)
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