Lesung in der Stadtbibliothek Moers Gesthuysen und die Emanzipation am Niederrhein

Moers · Ruth ist über 90 und lebt seit einem Sturz mit ihrem Mann Walter in einer betreuten Wohnanlage in der niederrheinischen Burg Winnenthal. Ihr Sohn Klaus, der auf Wunsch seines despotischen Großvaters eigentlich Berthold heißt, ist Chirurg, und auch ihre Enkelin Sara arbeitet als Ärztin.

 Bereits vor sechs Jahren war Anne Gesthuysen zu einer Lesung in Moers. Dort wie jetzt zog die Autorin und Moderatorin viele Zuhörer in den Bann.

Bereits vor sechs Jahren war Anne Gesthuysen zu einer Lesung in Moers. Dort wie jetzt zog die Autorin und Moderatorin viele Zuhörer in den Bann.

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Allerdings nur halbtags, denn sie hat einen kleinen Sohn, den sie mit ihrem Lebensgefährten Lars, einem erfolgreichen Unternehmensberater, mehr oder weniger zusammen  betreut. Ruth und Sara sind die beiden Hauptfiguren in Anne Gesthuysens neuem Buch „Mädelsabend“, mit dem sie am Dienstag in der Stadtbücherei zu Gast war.

Das im November erschienene Buch ist ihr drittes und spielt wie die beiden vorherigen aus diesmal wieder am Niederrhein, was der Lesung an diesem Abend eine ganz besondere lokale Note gab. Im Grunde hätte die Geschichte von Ruth und Sara aber auch in jeder anderen deutschen Gegend spielen können, denn beide Frauen stehen auf ihre Weise an einer Grenze ihres weiblichen Selbstverständnisses. So emanzipiert sich Großmutter Ruth in Anne Gesthuysens neuem Buch nach 60 Jahren Ehe zunächst in einem gewaltigen Kraftakt von ihrem wortkargen Gatten Walter, um ihn anschließend dann aber doch - wenn auch eingeschränkt – wieder in ihr Leben zu lassen. Und Enkelin Sara muss eine Entscheidung darüber treffen, ob sie ihr Verhältnis zu Sohn Paul und dessen Vater Lars für eine vielversprechende Arztkarriere auf eine zwei Jahre dauernde Wochenendbeziehung reduzieren soll.

Anders als die Autorin, die vor einigen Jahren selber zugunsten ihres Familienlebens auf eine Stelle als Washingtonkorrespondentin verzichtet hat, entscheidet sich Sara für ihre Karriere. Eine Entscheidung,  die Großmutter Ruth trotz ihrer späten Emanzipationsbestrebungen mit einer gewissen Skepsis aufnimmt. „Die Frauen früher durften nichts, außer dem Mann untertan sein“, erklärte Gesthuysen. „Das ist dank Alice Schwarzer für meine Generation kein Thema mehr. Wenn beide Partner Karriere machen wollen, stecken die Frauen heute trotzdem meistens zurück.“

Dank der differenzierten, warmherzigen Schilderungen und der witzigen niederrheinischen Anekdoten zwischendurch ist „Mädelsabend“ dennoch keine Emanzipationslektüre, sondern eher ein unterhaltsamer Appell, sowohl an Frauen als auch an Männer, ihre  Selbstverwirklichungswünsche keinen gesellschaftlichen Normen zu unterwerfen. Egal, wie schwierig die auch gerade sein mögen. Von falschen Entscheidungen aber, wie die 90-jährige Ruth ihrer Enkelin Sara rät, auch bereitwillig wieder zurück zu treten.

Ihr neues Buch „Mädelsabend“ im Verlag Kiepbenheuer&Witsch  (ISBN-Nummer 978-3-462-05150-6) erschienen. Jutta Langhoff 

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