Mönchengladbach Zwischen Taschenrechner und Manual

Mönchengladbach · Stephanie Borkenfeld-Müllers (46) ist seit 21 Jahren Kantorin der Pfarrgemeinde St. Laurentius. Sie erzählt über ihren Einsatz als Kirchenmusikerin. Aber auch davon, dass ihre Stelle beschnitten wurde und wie sehr sie den Rückzug der Diözese aus der Verantwortung für Kirchenmusik bedauert.

 Große Oratorien und andere Chorprojekte nehmen in der Arbeit der Kantorin Stephanie Borkenfeld-Müllers viel Raum ein.

Große Oratorien und andere Chorprojekte nehmen in der Arbeit der Kantorin Stephanie Borkenfeld-Müllers viel Raum ein.

Foto: Isa Raupold / Olaf Henn

Durch die Haustür hindurch bahnen sich Akkorde und Läufe ihren Weg auf die Straße. Die Türklingel setzt dem melodischen Lauf ein Ende. Man hört das Zuklappen des Klavierdeckels und schon öffnet Stephanie Borkenfeld-Müllers die Tür. Nun wird Pause bei der täglichen Übezeit eingelegt. "In meinem Vertrag sind drei Stunden für Übezeit veranschlagt, aber das ist natürlich unrealistisch — ich übe viel mehr", erklärt die hauptamtliche Kantorin von St. Laurentius Odenkirchen (wobei zur Pfarrei außerdem die Gemeinden St. Michael und Heilig Geist gehören).

Leidenschaft zum Beruf gemacht

Ihr Job als Kantorin ist in den vergangenen Jahren mehr und mehr zum Balanceakt zwischen Taschenrechner und Manual geworden. Die Stelle wurde gekürzt, die Tätigkeiten hingegen sind nicht weniger geworden: Kirchenchor, Schola Gregoriana, Kinder- und Jugendchor Odenkirchen und der Coro Michaelis. "Ich definiere mich als Kirchenmusikerin über eine große Leidenschaft zu meinem Beruf und zur Musik — das natürlich in Verbindung zur Liturgie. Meine Aufgabe ist es, Liturgie zu verkünden", erklärt Stephanie Borkenfeld-Müllers. Durch Instrumentalisten und Chöre, welche die Gottesdienste abwechselnd mit gestalten, bringt die 46-Jährige musikalische Vielfalt in die Liturgie.

Doch im Alltag führt sie einen Kampf gegen Taschenrechner und Kalkulationstabellen. Dienst nach Vorschrift findet bei Künstlern indes nur selten statt. Stephanie Borkenfeld-Müllers klappt also nicht nach 32,19 Stunden, wie es der Vertrag vorschreibt, den Klavierdeckel zu. Sonderproben mit den Kirchenchören, die Gottesdienste, Hochfeste, Feiertage, die Arbeit mit Instrumentalensembles, Oratorienkonzerte sowie die Odenkirchener Abendmusiken — sie übt eine absolute Vollzeitstelle aus, die jedoch nicht als solche honoriert wird.

Als sie vor 21 Jahren in Odenkirchen angefangen hat, wurde sie vom Bistum bezahlt, heute fallen die Kirchenmusiker in die Eigenverantwortung der Pfarrgemeinden. "Diese Dinge auf den Prozentpunkt genau auszurechnen ist nicht möglich. Man kann diesen Job nicht in ein Zeitraster pressen", erklärt die Kantorin und ergänzt: "Das Bistum müsste mehr mitmischen, wie früher, und nicht die Leute hier damit vor Ort allein lassen. Das Bistum zieht sich zu sehr raus."

Als Stephanie Borkenfeld-Müllers kürzlich in Mailand ein Konzert gegeben hat, hat sie eine ganz andere Volksfrömmigkeit bei den Italienern zu spüren bekommen. "Es war in der italienischen Basilika wirklich ganz anders als bei uns in der Kirche. Wir müssten hier auch wieder mehr dahin kommen, Kirche als Mittelpunkt des täglichen Lebens zu gestalten. Es gibt so viele Feiertage, die im Alltag untergehen. Das muss wieder viel mehr ins Bewusstsein gerückt werden — und die Musik kann dazu viel beitragen."

Denn Kirchenmusik definiert sich für die Odenkirchener Organistin nicht nur über Konzerte, sondern wesentlich sind für sie die Gottesdienste, die abwechslungsreich und auf hohem künstlerischen Niveau gestaltet sein sollen.

(evo)
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