Mönchengladbach Ziel: Eine Ersatz-Familie finden

Mönchengladbach · Der eine sucht einen Bruder, der andere vermisst die nie gekannte Oma oder die zu früh verstorbene Mutter. Der Verein "Wahlverwandtschaften" will Erwachsenen im Alter ab 18 Jahren helfen, Menschen zu finden, mit denen eine familienähnliche Beziehung aufgebaut werden kann.

Die Idee entstand nach einer China-Reise. Im Land des Lächelns hatte eine junge, alleinstehende Frau zwei ältere Damen kennengelernt, die im Alter ihrer verstorbenen Mutter waren. Aus der Urlaubsbekanntschaft entwickelte sich eine innige Freundschaft — ähnlich einer Mutter-Tochter-Beziehung. "Da kam die Idee auf, den Verein Wahlverwandtschaften zu gründen und anderen zu helfen, familienähnliche Beziehungen mit anderen aufzubauen", erklärt Dr. Michael P. Vollert, Vorstandsmitglied des Vereins "Wahlverwandschaften".

Alle Einsamen zwischen 18 und 99 Jahren sind angesprochen

Alleinstehende Erwachsene im Alter von 18 bis 99 Jahren, die keine Familie haben, hat der Verein dabei im Auge. "In der Gesellschaft haben wir immer mehr mit Vereinsamung und Vereinzelung zu tun", sagt Vollert. "Obwohl es durch Internet, Telefon und Freizeitangebote zahlreiche Kontaktmöglichkeiten gibt, sind viele Leute auf der Suche nach einer familiären Geborgenheit."

Auch Regina Uhrig, Leiterin der Familienbildungsstätte, hat den Trend zur Einsamkeit schon festgestellt. "Montags kommen zu uns Menschen, die erzählen, dass sie am Wochenende kein einziges Wort mit jemandem gewechselt haben", berichtet sie. Ein Phänomen, dass nicht nur alte Menschen betrifft, sondern zunehmend Männer und Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren.

Begegnungen als Bereicherung für beide Seiten

Auch im Vorstand des Vereins "Wahlverwandtschaften" sind hauptsächlich Frauen in dieser Altersklasse zu finden. "Ich bin mit meinen 71 Jahren ein Exot", sagt Vollert. "Dass ich den Verein hier vorstelle, liegt daran, dass die anderen voll im Beruf stehen und ich die Zeit habe, mich darum zu kümmern." Auch über Einsamkeit kann sich der agile Senior als Vater von zwei Kindern und Großvater von sechs Enkelkindern nicht beklagen. Seine Motivation, sich im Verein zu engagieren, ist eine andere.

Vollert hat nach seiner Berufslaufbahn studiert und dabei viele ausländische Studenten kennengelernt, die sich alleine in Deutschland zurecht finden mussten. Dabei hat er selbst die Erfahrung gemacht, wie gut es Menschen tut, wenn sie aufgefangen werden. "Eine Studentin hat mit meiner Frau Sushi gemacht, eine andere hat bei uns Klavier gespielt", erzählt er. Die Begegnungen waren eine Bereicherung für beide Seiten.

"Wir vermitteln nicht" — Verein bietet "nur" eine Plattform

Entsprechend motiviert geht Vollert ans Werk. Der erste Schritt zur Wahlverwandtschaft geht über das persönliche Kennenlernen. Dafür organisiert der Verein für Samstag, 6. März, ein erstes Treffen derer, die Wahlverwandte suchen. "Wir bringen die Menschen zusammen, aber wir vermitteln nicht", betont Vollert. Will heißen: Wer einen Wahlverwandten sucht, muss sich schon selbst bemühen. Der Verein fungiert als Eisbrecher und bietet eine Plattform.

Das geht über zwei Schienen: Zum einen können Interessierte in einem Formular festhalten, wen sie suchen. Zum anderen kann das über eine Internetplattform geschehen. Der Verein versucht dann den Kontakt herzustellen. Aber: "Wir sind keine Partnervermittlung", betonen Vollert und Uhrig einhellig. Aber wenn hier jemand die Liebe seines Lebens findet, sind Regina Uhrig und Michael P. Vollert damit auch sehr einverstanden.

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