Interview Philipp Molitor Wunderdinge darf man nicht erwarten

Mönchengladbach · Der Vorsitzende der Initiative Gründerzeitviertel, Philipp Molitor, spricht über die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements und die Veränderungen für den Schillerplatz. Auch für den Konrad-Adenauer-Platz gibt es erste Ideen.

 Philipp Molitor hat mit der Initiative Gründerzeitviertel noch viel vor: Auch der Konrad-Adenauer-Platz ist jetzt im Blickfeld.

Philipp Molitor hat mit der Initiative Gründerzeitviertel noch viel vor: Auch der Konrad-Adenauer-Platz ist jetzt im Blickfeld.

Foto: Isabella Raupold

Wie würden Sie das Gründerzeitviertel definieren?

Molitor Es hat auf jeden Fall einen besonderen Charme, nicht zuletzt durch seine Architektur. Es gibt viele gut erhaltene Jugendstilfassaden. Zudem ist die soziale Struktur im Viertel einzigartig in der Stadt. Es leben dort sowohl vermögende als auch finanziell schwächer gestellte Bürger. Es ist eine angenehme Atmosphäre, die oft mit einem Kiez wie zum Beispiel dem Prenzlauer Berg in Berlin verglichen wurde.

Was hat Sie dazu bewogen, sich im Gründerzeitviertel zu engagieren?

Molitor Ich bin Gladbacher und in Bettrath aufgewachsen. Als ich dann 2001 ins Gründerzeitviertel gezogen bin, habe ich gleich Anschluss gefunden und das große Potenzial gesehen, das dieser Stadtteil besitzt. Das war die Triebfeder für mich, etwas auf die Beine zu stellen. Es fand sich schnell eine Gruppe zusammen, die im Gründerzeitviertel die Atmosphäre verbessern, die Nachbarschaft herausstellen und die Kommunikation fördern wollte.

2013 ergibt sich eine gute Gelegenheit, das Viertel noch einmal stark in die Öffentlichkeit zu bringen.

Molitor Man sagt dem Niederrheiner ja nach, dass er immer einen Anlass findet, um etwas zu feiern. Wir wissen, dass 1863 die Stadt den Bebauungsplan für das heutige Gründerzeitviertel genehmigt hat. Somit feiern wir im nächsten Jahr das 150-jährige Bestehen und nehmen dies zum Anlass, das Miteinander und die Kommunikation zu fördern.

Ist mit einer solchen Entwicklung die Gefahr verbunden, dass die Mietpreise steigen?

Molitor Beispiele dafür gibt es sicher genug. Doch so weit sind wir bei uns noch nicht. Und ich hoffe, dass wir es vermeiden können, auch wenn es schwer ist, gegen bestimmte Tendenzen zu arbeiten. Es ist schon so, dass die Preise im Gründerzeitviertel angezogen haben, da es sehr viel gute Bausubstanz gibt, die heutzutage für Familien oder Paare sehr attraktiv ist. Es gibt noch genug Wohnraum mit einem geringeren Mietpreis. Wir wollen auf jeden Fall die derzeit vorhandene Struktur schützen.

Wie sieht es mit der Umgestaltung des Schillerplatzes aus?

Molitor Der Schillerplatz ist ein zentrales Element unserer Arbeit und einer der schönsten Quartiersplätze der Stadt. Es ist ein übersichtlicher Platz, der leider durch die Hochbeete sehr verbaut ist. Das Grünzeug ist dort immer mannshoch gewachsen, so dass es eher ein Ort zum Verstecken als ein Platz zum Treffen war. Gerade ältere Menschen haben ihn gemieden, sind lieber außen rum gegangen. Doch in den vergangenen Monaten gab es dort eine sensationelle Entwicklung. Ein Polizist bestätigte mir zuletzt, dass die Zahl der Streifenfahrten am Schillerplatz stark abgenommen hat. Das hat sicher auch damit zu tun, dass die Stadtverwaltung das Grün in den Hochbeeten zurückgeschnitten hat und der Platz derzeit schön einsichtig ist.

Ideen für eine Umgestaltung des Platzes gibt es viele. Doch wie sieht es mit der Umsetzung aus?

Molitor Die schreitet voran, zumal wir eine gute Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung pflegen. Der Technische Beigeordnete Andreas Wurff hat uns von Beginn an unterstützt. Natürlich ist es für die Stadt auch angenehm, wenn sie vom bürgerlichen Engagement profitieren kann. Ich freue mich immer noch wie ein Kind, wenn ich an die vielen tollen Ideen zur Umgestaltung des Schillerplatzes denke, die im vergangenen Jahr bei einem Workshop zusammengekommen sind. Da hat sich gezeigt, dass es in der Bürgerschaft eine Menge an Kompetenz und Engagement gibt. Und dieses private Know-how muss sich die Stadt einfach zunutze machen.

Was wird sich konkret ändern?

Molitor Es werden neue Bäume gepflanzt, dagegen mindestens zwei Hochbeete entfernt. Zudem kann es sein, dass im Zuge der Umgestaltung die Verkehrsführung am Schillerplatz geändert wird und auch einige Parkplätze wegfallen. Unser großer Traum ist, dass auch auf dem Platz Gastronomie möglich wird. Dafür müsste es aber dort eine verkehrsberuhigte Straße geben.

Gibt es auch für den Konrad-Adenauer-Platz im Westen Pläne?

Molitor Es gibt auf jeden Fall den unbedingten Willen, auch dort etwas zu verändern. Der Adenauer-Platz ist ein ebenso schöner Quartiersplatz, der sich ideal mit dem Schillerplatz ergänzt. Er dient eher als Ruhepol im Viertel, während der Schillerplatz das Leben symbolisiert. Das sieht die Stadt im Übrigen genauso. Es ist unser Ziel, ihn zu einem Platz der Begegnung zu machen, auf dem der Erholungsfaktor eine große Rolle spielt. Wir stellen uns eine Zusammenarbeit mit der Zentralbibliothek vor, zudem soll es auch dort Gastronomie geben. Zudem könnten kulturelle Veranstaltungen wie eine Lesung auf dem Platz stattfinden. Und was dort besonders wichtig ist: Durch die großen Grünflächen wäre eine sehr gute Pflege nötig. Wir wissen alle, wie es diesbezüglich um die Stadt bestellt ist. Aber vielleicht kann man einen Teil der Aufgaben auch an engagierte Bürger übertragen.

Gibt es auch Kontakt zur kreativen Szene in Eicken?

Molitor Wir pflegen intensive Kontakte. Gladbach kann sich glücklich schätzen, Menschen wie beispielsweise Johannes Jansen oder Norbert Krause zu haben, die mit guten Ideen, aber ohne großes Geld etwas bewirken können. Wir wollen zudem noch mehr Bürger aus dem Westviertel motivieren, aktiv zu werden. Das wird 2013 weit oben auf unserer Agenda stehen. Allerdings möchten wir auch angestoßene Projekte wie den Schillerplatz zunächst vernünftig zu Ende bringen.

Wir haben bereits viele Orte im Gründerzeitviertel angesprochen. Was sagen Sie zur Steinmetzstraße?

Molitor Sie ist zweifelsohne für den Stadtteil eine klaffende Wunde. Es tut mir immer noch weh, wenn ich daran denke, mit welcher Brutalität dort eine Schneise durch das Viertel gezogen worden ist. Es war völlig unnötig, so viele gut erhaltene Gebäude abzureißen. Ich bin mir sicher, dass die Stadt mit einer heftigen Gegenwehr hätte rechnen müssen, wenn es damals die Initiative Gründerzeitviertel schon gegeben hätte.

Hat sich durch die Arbeit der Initiative auch in der Politik die Sichtweise auf das bürgerschaftliche Engagement verändert?

Molitor In den vergangenen Jahren hat sich durch einen Generationenwechsel in der Politik dort unheimlich viel getan, was uns natürlich sehr gut gefällt. Es gibt mittlerweile viele Politiker, die nicht mehr von oben herab entscheiden und zu wissen glauben, was gut für die Bürger ist. Die Zeit ist vorbei, in der Bürger passiv sind. Nein, die Zeit ist gekommen, wo sie Zeit, Ideen und ihr Know-how einbringen, und die Politiker dies für sich nutzen. Das führt zu einer Verbesserung und einer höheren Identifikation in der Stadt.

Wo sind die Grenzen bürgerschaftlichen Engagements?

Molitor Es kann nur gut sein, wenn man sich in der Kommunikation gegenseitig fordert, dabei aber die Grenzen anerkennt. Auch wir laufen mit unseren Zielen und Wünschen mal gegen die Wand, auch beim Projekt Schillerplatz. Dort ist uns dann plausibel erklärt worden, warum manches nicht zu realisieren ist. Doch das bedeutet nicht, dass wir nun die Faust in der Tasche ballen und dann wieder passiv werden.

Kann Ihre Arbeit tatsächlich Nachhaltiges bewirken und eine Aufbruchstimmung erzeugen?

Molitor Absolut. Die Entwicklungen im Gründerzeitviertel werden zur Kenntnis genommen und Aktionen auch fortgeführt. Der Schillerplatz ist da ein gutes Beispiel. Dort hat uns die Stadt die Pflege eines Hochbeetes übertragen. Und es war überhaupt kein Problem, dafür Leute zu finden. Oder der Schillerbaum. Er ist das erste gemeinsame Projekt mit dem Margarethengarten. Am ersten Advent haben sich 80 Leute aus allen Generationen getroffen und haben den Baum weihnachtlich geschmückt. Dies alles motiviert uns. Doch man darf auch keine Wunderdinge von uns erwarten.

Thomas Grulke, Karsten Kellermann und Dieter Weber führten das Gespräch

(togr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort