Mönchengladbach Wirrwarr um Dichtheitsprüfung

Mönchengladbach · Bagatellschäden müssen nicht repariert werden. Kommunen entscheiden selbst, ob und wann Leitungen saniert werden müssen. Ein neuer Erlass des Landesumweltministeriums bringt einige Verbesserungen mit sich. Weil dennoch vieles im Unklaren und uneinheitlich bleibt, sperrt sich die FDP.

Die Dichtheit von privaten Abwasserleitungen ist auf den ersten Blick kein Thema, das für emotionale Reaktionen prädestiniert ist. Trotzdem klangen die Vertreter der drei großen Landtagsfraktionen – SPD, CDU und Grüne – unlängst nahezu euphorisch, als sie den entsprechenden neuen Erlass aus dem Umweltministerium kommentierten.

Politiker unterschiedlichster Parteien waren sogar so angetan, dass sie den Erfolg jeweils für sich reklamierten: Der CDU-Antrag sei "von den anderen fast vollständig übernommen worden", freute sich Rainer Deppe, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. In Gladbach wiederum freute sich der Grünen-Ratsherr Joe Hüskens, dass "auf grüne Initiative hin im Landtag NRW ein breiter Konsens der drei größten Fraktionen bei der Dichtheitsprüfung gefunden wurde".

Selbst die Linke lobte neue Fassung des Erlasses, lediglich die FDP schert aus der kollektiven Lobhudelei aus – das aber dafür auf ganzer Linie. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Erlass zur Dichtheitsprüfung.

Was besagt der neue Erlass? Er ist eine Fortführung des Erlasses vom 5. Oktober 2010 und geht noch einen Schritt weiter. Schon im Oktober war unter anderem festgesetzt worden, dass die Kommunen die Frist für die erstmalige Dichtheitsprüfung privater Abwasserleitungen unter bestimmten Bedingungen von 2015 auf 2023 verlängern können – nämlich dann, wenn die Überprüfung öffentlicher Kanäle mit der privater Abwasserleitungen zusammengelegt werden kann.

Außerdem sollen die Gemeinden die Bescheinigung über die Dichtheitsprüfung grundsätzlich einfordern, eine Leitungssanierung soll in einer Frist von zwölf bis 24 Monaten erfolgen. Der neue Erlass ändert wichtige Parameter: Ab sofort entscheiden die Kommunen selbst, ob und wann eine Sanierung erforderlich ist. Bei geringen Schäden ist demnach überhaupt keine Sanierung nötig, mittelschwere Schäden müssen innerhalb von fünf Jahren, schwere Schäden binnen sechs Monaten behoben werden.

Was ist noch neu? Die optische Untersuchung per TV-Kamera wird aufgewertet und erstmals als Regelverfahren bezeichnet (Ausnahme: Wasserschutzgebiete). Auch die in der Regel preiswerteste Art der Dichtheitsprüfung in Form der Wasserstandsfüllprüfung wird als legitime Variante angesehen, eine Druckprüfung sei nur bei Neubauten erforderlich, heißt es weiter. Außerdem hat das Ministerium für Bürger, Kommunen und Sachkundige eine Musterdichtheitsbescheinigung erarbeitet.

Wie weit ist Mönchengladbach? Eigentlich sollte ab heute in den Ausschüssen die Satzungsänderung zum Erlass vom 5. Oktober diskutiert werden – "doch weil jetzt fast zeitgleich der neue Erlass kam, ziehen wir den Tagesordnungspunkt zurück", sagt Umweltdezernent Bernd Kuckels. "Wir werten die neue Sachlage jetzt in Ruhe aus und werden die Satzung entsprechend anpassen." Bei dieser Untersuchung sei man noch am Anfang. Im nächsten Ratszug, dem ersten nach den Sommerferien, solle das Thema dann wieder auf den Tisch kommen. Generell sehe er in dem neuen Erlass einen Gewinn, sagt Kuckels: "Die Vereinheitlichung, die er vorsieht, wird für viele Betroffene eine Hilfestellung bieten."

Was kritisiert die FDP? Anders als Kuckels sind viele seiner Parteigenossen von den Freien Demokraten weniger optimistisch. Im Land wird es auf Antrag der FDP-Fraktion am 6. Juli eine Sachverständigenanhörung im Umweltausschuss geben. Die Fraktion in der Stadt habe das Thema zwar noch nicht ausdiskutiert, sagt Geschäftsführer Hans-Joachim Stockschläger.

Er selbst jedoch spricht von einer Unmenge an "Bürokratie, die neu geschaffen werden muss" und kritisiert, dass "das Land den Kommunen die Verantwortung zuschiebt". Auch fordere die FDP eine bundeseinheitliche Lösung. Denn: NRW beschreitet mit den Dichtheitsprüfungen einen Sonderweg, Nachbarländer wie Niedersachsen verzichten darauf. "Außerdem fehlt überhaupt ein Nachweis, dass durch häusliche Abwässer überhaupt eine Gefährdung des Grundwassers entstehen kann", so Stockschläger. "Das ist sogar mehr als fraglich."

Sieht das noch jemand so? Der Hauseigentümerverband Haus & Grund führt ähnliche Kritikpunkte an wie die FDP – weil der Erlass zwar Verbesserungen, aber auch viele Unklarheiten bringe.

"Der Erlass lässt offen, ob der späteste Zeitpunkt der bisherige Endtermin 2023 sein muss oder ob die Gemeinde sogar darüber hinausgehen könnte", sagt der Vorsitzende von Haus & Grund Rheinland, Peter Rasche. Zudem fehle eine klare Definition dessen, was Bagatellschäden sind und was nicht. Haus & Grund rät Betroffenen zum Abwarten, bis ortsrechtliche Vorgaben ausgestaltet sind.

Was gilt es in Mönchengladbach noch zu berücksichtigen? Ein beträchtlicher Teil der Stadt liegt in Wasserschutzgebieten. Für diese gilt nach wie vor: Die Prüfung muss allerspätestens Ende 2015 erfolgt sein.

Was bedeutet das alles für die Bürger? Die Prüfung privater Abwasserkanäle kostet bis zu 300 Euro, Sanierungen im Falle relevanter Schäden dürften wesentlich teurer kommen. Zunächst gilt jedoch abzuwarten, was die Sachverständigenanhörung im Landtag ergibt und wie die Stadt nach der Sommerpause im Detail die Satzung anpassen wird.

(RP)
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