Mönchengladbach Wir haben die Reihen geschlossen
Mönchengladbach · Bert Gerkens, der Präsident des Stadtsportbundes, sowie der neue Geschäftsführer Werner Kohn und der neue Sportwart Klaus-Peter Schmitz sprechen über die Personalwechsel, die nächsten Aufgaben, den Hockeypark und Nutzungsgebühren für Sportstätten.
Beim Stadtsportbund (SSB) hat es personelle Änderungen gegeben, Rolf Mayer ist nicht mehr Geschäftsführer. Wie kam es dazu?
Gerkens Er war nicht einverstanden mit der Kritik an der Geschäftsstellensituation und ist in einer Spontanreaktion zurückgetreten. So etwas passiert eben manchmal.
Rolf Mayer war immerhin 22 Jahre für den SSB tätig...
Gerkens Wir haben im Vorstand einstimmig beschlossen, seine Arbeit in gebührendem Rahmen zu würdigen. Seinen Rücktritt haben wir respektiert und keinen Versuch gemacht, ihn umzustimmen.
Warum?
Gerkens Wir müssen uns in Zukunft mit wichtigen Themen befassen, und das ist nur mit einer funktionierenden EDV-Unterstützung möglich. Dort haben wir aber erheblichen Modernisierungsbedarf.
Werner Kohn und Klaus-Peter Schmitz sind nun seine Nachfolger.
Gerkens Es gibt keinen direkten Nachfolger. Beide wurden bis zur nächsten Mitgliederversammlung im Mai 2013 kommissarisch als Geschäftsführer und Sportwart vom Vorstand berufen und vom Hauptausschuss in ihrem Amt bestätigt.
Kohn Wir müssen uns jetzt erst einmal einarbeiten. Meine Aufgabe besteht zunächst darin, die Strukturen innerhalb des SSB zu vereinfachen. Wir haben bislang mit einem EDV-System aus dem Jahr 1989 gearbeitet.
Wie kam der Kontakt zum SSB zustande?
Kohn Ich bin seit ein paar Monaten im Ruhestand, hatte plötzlich viel Zeit und wollte mich im Sport engagieren. Ich finde diese Arbeit sehr interessant. Der erste Kontakt kam eigentlich zustande, als ich eine Skifahrt über das Sportbildungswerk gebucht habe.
Herr Schmitz, wie war das bei Ihnen?
Schmitz Ich bin durch eine große Tanzveranstaltung, die wir mit den TSF Mönchengladbach organisiert haben, mit dem Stadtsportbund in Kontakt gekommen. Meine Aufgabe als Sportwart besteht vor allem darin, den Kontakt zu den Vereinen und Fachwarten zu halten. Insofern wird der 31. August zum Einstieg für uns ein wichtiger Termin, da werden wir zu einer Fachwartetagung einladen.
Wie ist der SSB für die Zukunft aufgestellt?
Gerkens Wir haben fünf fest angestellte Mitarbeiter überwiegend in Teilzeit und vom Landessportbund NRW bezuschusst und insgesamt zwölf ehrenamtlich tätige Personen im erweiterten Vorstand. Dazu kommen die 25 Fachwarte.
Wie ist der Kontakt untereinander?
Kohn Im Moment ist es noch schwierig, weil die Strukturen sehr vielschichtig sind. Wir müssen unseren Mitarbeitern ein Instrument an die Hand geben, das die Vorgänge vereinfacht. Ein gemeinsamer Terminkalender war da schon der Anfang.
Gerkens Wir müssen auch bedenken, dass wir es mit 30 verschiedenen Sportarten zu tun haben, die zudem unterschiedlich stark sind.
Kohn Außerdem sprechen wir über 90 000 Mitglieder. Davon sind 48 000 Aktive (der Rest sind die Mitglieder der Borussia/Anmerkung der Redaktion) in über 200 Sportvereinen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen.
Ist das Ehrenamt bei dieser Größenordnung noch zeitgemäß?
Gerkens Wir haben uns mit dieser Fragestellung in der letzten Hauptausschusssitzung beschäftigt und eine Arbeitsgruppe installiert, die Vorschläge für eine Satzungsänderung erarbeiten soll. Bis zur Mitgliederversammlung 2013 soll eine Vorentscheidung fallen.
Werden Sie dann wieder zur Wahl stehen?
Gerkens Das weiß ich noch nicht. Es kommt auf die möglichen Strukturen an. Ich bin jetzt 31 Jahre dabei, derzeit kann ich es kaum jemandem zumuten, die Aufgabe zu übernehmen, weil sich viele Dinge bei mir geballt haben. Und es ist schwierig, sie zu verteilen.
Wie könnten denn Konstrukte für die Zukunft aussehen?
Gerkens Beispielsweise wie die Struktur bei Borussia. Mit einem hauptamtlichen Vorstand. Unser bisheriger Vorstand würde dann wie ein Präsidium arbeiten.
Funktioniert die Kommunikation mit den Vereinen?
Schmitz Zunächst sind die Vereine in ihren Verbänden schon gut aufgehoben. Doch wir sehen auch, dass einige Sportarten wie Tanzen oder Basketball derzeit gar nicht durch einen Sportwart besetzt sind.
Gerkens Seit dem Tod von Helmut Otten gehört auch Hockey dazu.
Wie sehen Sie die derzeitige Diskussion um den Hockeypark?
Kohn Die Konzerte dort sind eine geniale Idee und eine tolle Sache für Mönchengladbach. Aber es beißt sich schon mit dem Sport.
Gerkens Das Problem ist, dass wir es uns nicht leisten können, das Stadion für die wenigen Hockeyspiele in Watte zu packen. Deswegen lassen wir auch die American Footballer dort spielen. Hinzu kommen die Schulen mit ihren 200 Stunden Sportunterricht im Hockeypark.
Schmitz Auch in den Sporthallen gibt es Probleme, wenn Kultur auf Sport trifft. So ist zum Beispiel die Eickener Mehrzweckhalle für mehrere Wochen in der Karnevalszeit nicht für Sportvereine verfügbar. Man muss sich damit arrangieren, an einen Tisch setzen und die Dinge besprechen.
Welche Rolle kann der SSB in solchen Gesprächen spielen?
Schmitz Wir können nur an die Vernunft appellieren, beraten und informieren. Das ist unsere Aufgabe. Aber wir können keinen Druck ausüben.
Kohn In einer meiner ersten Sitzungen ging es um die Vergabe der Trainingszeiten in den Schwimmbädern. Ich war beeindruckt, wie jeder für seinen Verein um Bahnen und Zeiten gekämpft hat und am Ende zufrieden aus dieser Runde herausgegangen ist.
Gerkens Es war sicher ein Fehler, dass wir nicht nach außen transportiert haben, wie hart diese internen Abstimmungen sind und wir trotzdem friedliche Lösungen vereinbaren konnten.
Kohn Ich denke, dass es generell eine Aufgabe sein wird, den SSB frischer und aktiver darzustellen, attraktiver zu machen. Der SSB gibt wichtige Hilfestellungen, darüber können wir auch ruhig reden. Zudem sollten wir Präsenz zeigen, eine Meinung vertreten und kreative Ideen einbringen.
Welchen Weg muss der SSB beim Problem der Ganztagsschulen gehen, unter dem der Vereinssport leidet?
Schmitz Dieses Problem hat oberste Priorität, denn es wird nicht kleiner, sondern immer schlimmer. Unterhalb der C-Jugend leiden die Vereine darunter, dass es immer weniger Kinder gibt, die sie rekrutieren können. Und zudem haben die Kinder immer weniger Freizeit. Es geht nur noch über Projekte und AGs in den Schulen. Dort müssen wir uns auch um die Qualifikation der AG-Leiter kümmern.
Gerkens Derzeit werden nur 22 Prozent der Sportangebote in den Offenen Ganztagsschulen auch durch die Vereine abgedeckt. Da müssen wir auf 50 Prozent kommen.
Wird sich der Vereinssport verändern müssen?
Schmitz Er wird sich verändern, die Schulen aber auch, schließlich gibt es dort auch kein Lehrerpotenzial mehr für zusätzliche Angebote.
Gerkens Es gibt dort ein Umdenken. Gut ist, dass durch einen Erlass des Schulministeriums der Schulsportausschuss bei solchen Fragen eingebunden werden muss.
Wie groß werden die Veränderungen im SSB ausfallen?
Gerkens Das wissen wir im Moment noch nicht. Wir haben die Reihen zunächst einmal geschlossen. Das war wichtig, denn wir müssen demnächst Stärke demonstrieren. Es kommen harte Wochen auf uns zu.
Inwiefern?
Gerkens Im Bezug auf den Stärkungspakt stehen sicherlich einige Schweinereien auf der Sparliste, es geht um die Nutzungsgebühr für Sportstätten. Wir werden uns dort klar positionieren.
Was kann der SSB tun, um das zu verhindern?
Schmitz Wir vertreten 90 000 Menschen, das muss ein Gewicht haben.
Gerkens Einige meinen, wir sollten noch mehr auf den Putz hauen. Ich favorisiere aber eher die Hintergrundgespräche. Ich bin seit 25 Jahren im Sportausschuss. Da kann man nicht alles kaputthauen.
Kann das Etikett der Sportstadt Mönchengladbach helfen?
Schmitz Es ist ganz wichtig, dass Borussia wieder so eine gute Rolle spielt. Doch es gibt noch viel mehr, zum Beispiel Sportveranstaltungen kleinerer Sportarten, zu denen aber zum Teil auch bis zu 1000 Personen anreisen. Das ist eine tolle Resonanz für die Stadt.
Wie ist der Zustand der Sportstadt Mönchengladbach?
Schmitz Es hat sich viel getan, vor allem durch den Bau vieler Kunstrasenfelder.
Und finanziell?
Gerkens Noch ist es verhältnismäßig gut, zumal durch das Konjunkturpaket II in die Sportstätten investiert wurde. Doch wenn die Vereine für die Nutzung bezahlen müssten, würden einige auf der Strecke bleiben, dann trifft es die Kleinen und Armen.
Schmitz Für viele Vereine ist es unmöglich, Hallengebühren zu bezahlen.
Kohn Und dann stellt sich den Jugendlichen die Frage: Was mache ich stattdessen? Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. In meinen Augen gibt es keine Alternative zum Vereinssport.
Schmitz Deswegen würde eine solche Maßnahme auch teurer werden und nicht billiger. Der Sportverein bindet Kinder und Jugendliche, das hat eine hohe soziale Komponente. Der Stadt würde es mehr Geld kosten, die Schäden derer zu beseitigen, die nicht mehr im Verein aktiv sind und nichts mehr Sinnvolles mit ihrer Freizeit anzufangen wissen.
Gerkens Man muss bedenken, dass wir in der Stadt kein besonders hohes Einkommensverhältnis haben, dementsprechend das Beitragsverhältnis niedrig ist. Wenn die Vereine mit Gewalt ihre Beiträge erhöhen müssten, könnten viele nicht mehr mitwirken. Viele könnten sich dann auch fragen, warum man überhaupt noch den Verein braucht, wenn es doch Sportangebote auch in der Schule gibt. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in den Schulen präsenter sind.