Mönchengladbach Wir glauben, dass alle Briten gehen

Mönchengladbach · Gerd Soggeberg, Betriebsvertretungs-Vorsitzender im HQ, sagt, was die zivilen Angestellten nach dem angekündigten Abzug der Truppen bewegt, berichtet über deutsch-englische Freundschaften und verrät, was die Briten vom deutschen Fußball halten.

Am 12. September wurden die Pläne vom Abzug der Briten bekannt gegeben. Wie ist die Stimmung seitdem?

Soggeberg Es hat uns nicht unvorbereitet getroffen. Die Studie ist ja schon vor anderthalb Jahren in Auftrag gegeben worden. Ich glaube, viele haben die Entscheidung geahnt. Aber ja, die Stimmung ist bedrückt. Viele fragen sich jetzt: Wo bekomme ich einen neuen Job? Bin ich abgesichert? Wie sieht es mit dem Tarifvertrag aus?

Wissen Sie mittlerweile mehr über den Zeitplan? Wann genau wird der Abzug sein?

Soggeberg Ich weiß nicht mehr als in den Medien bekannt wurde. Klar ist das Zeitfenster: Zwischen 2009 und 2014 ziehen die Truppen aus dem HQ ab. Aber bereits zwischen 2009 und 2011 das HQ ARRC. Das ist aber eine vorläufige Entscheidung. Die endgültige wird Ende des Jahres im britischen Verteidigungsministerium gefällt.

Gehen Sie davon aus, dass irgendetwas vom HQ in Mönchengladbach bestehen bleibt?

Soggeberg Wir gehen davon aus, dass alles abgezogen wird.

Es gibt rund 1000 zivile Mitarbeiter im HQ. Was wird aus ihnen? Waren sie schon beim Arbeitsamt?

Soggeberg Wir hatten erste Gespräche mit dem Chef der Agentur für Arbeit, Johannes Schmitz. Es gibt jetzt im Arbeitsamt einen eigenen Bereich für HQ-Mitarbeiter. Bevor es um die Einzelnen geht, dreht es sich jetzt erst einmal um Fragen wie: Wie sieht die generelle Situation aus? Wie ist es mit der beruflichen Weiterbildung? Umschulung?

Was ist Ihre genaue Aufgabe im HQ?

Soggeberg Ich bin Betriebsvertretungs-Vorsitzender und gehöre zu den vier freigestellten Betriebsvertretern. Insgesamt gibt es 13 Vertreter für die 1000 zivilen Mitarbeiter. Wenn ich nicht freigestellt bin, arbeite ich als Elektroanlageninstallateur und bin Betriebsmeister.

Wie sind Sie ins HQ gekommen?

Soggeberg Ich bin der Liebe wegen nach Mönchengladbach gekommen. Ich hatte einige Arbeitsstellen als Betriebselektriker und bin dann ins HQ gewechselt.

Welche Berufe und Aufgaben haben die zivilen Angestellten in HQ?

Soggeberg Das geht querbeet. Angefangen beim Arbeiter, der Sportplätze pflegt, über Handwerker wie Maler, Maurer und Schreiner, Bus- und Taxifahrer bis hin zu administrativen Mitarbeitern.

Wer wird es am schwersten haben nach dem Abzug der britischen Soldaten?

Soggeberg Auf die ungelernten Arbeiter müssen wir besonderes Augenmerk legen. Und auch die Mitarbeiter in der Administrative lassen sich nicht so einfach in der freien Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst einsetzen. Da gibt es oft ganz unterschiedliche Aufgabenfelder.

Viele sagen, es ist etwas ganz Besonderes, für die Briten zu arbeiten. Stimmt das?

Soggeberg Der britische Arbeitgeber hat immer betont, dass die zivilen Mitarbeiter einen hohen Stellenwert für ihn haben. Da sind Freundschaften entstanden.

Wie sind militärische Chefs?

Soggeberg Sie gehen nicht im Befehlston mit uns zivilen Angestellten um, wenn Sie das meinen.

Ist das Gehalt bei den Briten im HQ besser?

Soggeberg Im Handwerk und im Wachdienst wird wahrscheinlich über Durchschnitt bezahlt, in anderen Bereichen nicht.

Gibt es steuerliche Vergünstigungen, oder dürfen Sie zollfrei einkaufen?

Soggeberg Nein.

Welche tarifvertragliche Absicherung gibt es?

Soggeberg Es gibt einen Tarifvertrag Soziale Sicherung, kurz TASS. Der sieht Überbrückungshilfen und Ausgleichszahlungen vor. Es gibt eine gute Absicherung. Wer zum Beispiel außerhalb des HQ eine Arbeit findet, die nicht so gut bezahlt ist, erhält eine Ausgleichszahlung.

Sind perfekte Englischkenntnisse eine Voraussetzung für die Einstellung bei den Briten?

Soggeberg Nein, nicht unbedingt. Aber ich glaube, dass 600 bis 650 unserer Mitarbeiter gut Englisch sprechen.

Und wie viele Engländer sprechen Deutsch?

Soggeberg Einige sprechen gut Deutsch. Und jeder ist bemüht. Deutsch ist ein schwere Sprache. Aber die Briten versuchen es zumindest.

Sie sind seit 1986 im HQ angestellt. Was hat sich in den Jahren alles geändert?

Soggeberg Ich denke, wir hatten damals das Dreifache an zivilen Kräften. Früher gab es einzelne Dienststellen. Vieles wurde seitdem abgebaut: das Reme-Gelände an der Lürriper Straße, Wildenrath, Laarbruch, das Hospital Wegberg. . .

Wie ist die Mentalität der Briten?

Soggeberg Sie sind unkompliziert. Ich schätze die Distanz der Deutschen, die mit dem Sie geschaffen wird. Aber das englische You baut Brücken.

Wo gehen die Soldaten gerne in Mönchengladbach aus?

Soggeberg Sehr beliebt ist das Chicken in the Wood, der Fuchsbau im Hardter Wald.

Und was gucken Sie sich die Briten in Deutschland an?

Soggeberg Die Briten sind sehr interessiert, die Umgebung zu erkunden. Das gilt nicht nur für Deutschland. Viele fahren auch nach Belgien und Holland.

Gibt es deutsch-britische Freundschaften?

Soggeberg Oh ja, auch Ehen. Die Briten engagieren sich ebenso in Vereinen. Ich selbst bin im Sportclub Rheindahlen. Der zweite Vorsitzende ist ein Brite.

Nimmt man Einsätze in Afghanistan oder Irak anders wahr, wenn man im HQ arbeitet?

Soggerberg Ja, unser stellvertretender Dienststellenleiter war gerade in Afghanistan. Da spielen auch Sorgen mit.

Interessieren Sie sich für die englische Politik?

Soggeberg Es hieß ja immer, dass Kostengründe eine Rolle für den Verbleib oder Abzug der britischen Truppen spielen. Da verfolgt man natürlich die Haushaltspolitik. Obwohl ich das bis heute nicht so richtig nachvollziehen kann. Schließlich muss bei einer Rückkehr der Soldaten nach Großbritannien auch vieles neu aufgebaut werden. Ob das preiswerter ist? Es ist ja nicht so, dass an den britischen Standorten alles vorhanden ist.

Was macht man aus dem HQ, wenn die Soldaten weg sind?

Soggeberg Ich finde, man sollte sich erst Gedanken um die Mitarbeiter machen und dann um die Liegenschaften. Aber wenn Sie mich nach Illusionen fragen, dann würde ich sagen: Wenn dort ein Freizeitpark entstehen würde, in dem 700 von unseren Mitarbeitern eine neue Stelle finden, fände ich das schön.

Das Gespräch führten Ralf Jüngermann und Gabi Peters

(RP)
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