Interview mit Feuerwehrchef Lampe Wir brauchen Hochleistungssirenen

Mönchengladbach · Im Redaktionsgespräch erklärt Feuerwehrchef Jörg Lampe, warum seine Rettungskräfte psychologische Unterstützung erhalten, weshalb der Job gefährlicher geworden ist – und dass es bei der Frage der Überstunden noch keine Klarheit gibt.

Interview mit Feuerwehrchef Lampe: Wir brauchen Hochleistungssirenen
Foto: Ilgner

Im Redaktionsgespräch erklärt Feuerwehrchef Jörg Lampe, warum seine Rettungskräfte psychologische Unterstützung erhalten, weshalb der Job gefährlicher geworden ist — und dass es bei der Frage der Überstunden noch keine Klarheit gibt.

Herr Lampe, was verbirgt sich hinter den Abkürzungen "PSU" und "PSNV"?

Lampe PSU steht für Psychosoziale Unterstützung, PSNV für Psychosoziale Notfall-Vorsorge. Beides sind Konzepte zur Unterstützung unserer eigenen Kräfte und der Bevölkerung in Mönchengladbach bei psychisch belastenden Ereignissen.

Worin unterscheiden sie sich?

Lampe Das PSU-Programm richtet sich an unsere eigenen Mitarbeiter, die Notfall-Vorsorge betreut betroffene Bürger bei Großschadensereignissen.

Feuerwehrleute gelten als knallhart und furchtlos. Aber auch sie brauchen psychologische Hilfe?

Lampe Die "Hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder"-Mentalität stirbt aus. Die Menschen werden sensibler und sprechen über ihre Probleme. Das ist auch sehr wichtig. Außerdem: Jemand, der am Knie operiert worden ist, braucht vielleicht keinen Krückstock, aber man geht sicherer, wenn einer in der Ecke steht.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Lampe Eine Art Weckruf war der Unfall, bei dem ein Lkw ein Kleinkind überfuhr, das starb. Eine junge Kollegin ist damals unter den Lkw geklettert und hat das überfahrene Kind gesehen. Hätten wir ihr nicht sofort psychologische Hilfe angeboten, sie wäre uns sicherlich weggebrochen.

Wie viele Mitarbeiter arbeiten in dieser Abteilung?

Lampe Diese Initiative beruht auf freiwilligem Engagement der Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen. Wir haben inzwischen zehn Mitarbeiter, die sich bei Kursen fortgebildet haben.

Sie werden aber nur auf Anforderung aktiv?

Lampe Nein, zu bestimmten Ereignissen schicken wir sie generell raus. Erst jüngst, als die Fahrradfahrerin auf der Monschauer Straße überfahren worden ist. Es ist unheimlich wichtig, dass die Mitarbeiter sofort Hilfe erhalten.

Kommt es denn häufig vor, dass jemand wegen einer psychischen Erkrankung auch für längere Zeit ausfällt?

Lampe Eigentlich nicht. Aber häufig erfahren wir die Art der Erkrankung nicht oder erst sehr spät.

Vor wenigen Monaten kritisierten Sie, dass Rettungskräfte immer häufiger angegriffen und angepöbelt werden. Ist das immer noch so?

Lampe Wir beginnen gerade, darüber eine Statistik zu führen. Bisher gibt es daher noch keine verlässlichen Zahlen. Aber aus der Intuition heraus würde ich das bestätigen.

In welchen Situationen passiert so etwas?

Lampe Bei häuslicher Gewalt zum Beispiel. Der schlimmste Vorfall ereignete sich auf der Stresemannstraße. Per Zufall fuhren dort Rettungskräfte vorbei und sahen, wie ein junger Mann seine Freundin verprügelte. Sie wollten helfen, sofort schlug der Mann zu. Einem Mitarbeiter brach er das Jochbein, dem anderen biss er Haut aus der Brust. Oft sind die Täter alkoholisiert, stehen unter Tabletten- oder Drogeneinfluss.

Sie haben auf diese Entwicklung aber schon reagiert ...

Lampe Ja, das haben wir, entsprechende Deeskalationstechniken gehören inzwischen zur Aus- und Fortbildung. Unser erstes Ziel ist es, deeskalierend zu wirken. Es ergibt wenig Sinn, auf Gewalt mit Gewalt zu antworten.

Wie viele Falschmeldungen registrieren Sie im Jahr? Ist die Zahl immer noch so hoch?

Lampe Ja. Es geschieht ungefähr 600-mal im Jahr, dass wir fehl- oder böswillig informiert werden und zu Einsätzen aufbrechen.

Ein teurer Spaß ...

Lampe Eine böswillige Alarmierung ist ein Straftatbestand. Die Kosten für einen solchen Einsatz trägt der Anrufer. Sie liegen bei ungefähr 1000 Euro. Insgesamt dürfte den Verursacher ein solcher Einsatz bis zu 2500 Euro kosten.

Verzeichnen Sie wegen der Rauchmelder weniger Einsätze?

Lampe Nicht unbedingt weniger, allerdings haben wir mehr Einsätze, bei denen wir registrieren, dass die Rauchmelder ihren Zweck erfüllt haben. Die Schadenslage ist dann nicht mehr so dramatisch.

Profitieren Sie auch anderweitig von neueren Techniken, zum Beispiel der Handyortung?

Lampe Zumindest die Handyortung haben wir, glaube ich, noch nie eingesetzt. Die Technik macht tatsächlich große Fortschritte, sie muss aber noch verfeinert werden. Es bringt uns wenig, wenn uns eine Parzelle vom Hauptbahnhof bis zur Fachhochschule angegeben wird, in der wir nach einer Person suchen müssen.

Zusammen mit dem Land entwickeln Sie eine Applikation für Mobiltelefone. Weshalb?

Lampe Wir wollen zielgerichtet und effektiv warnen. Die Entwicklung ist aber sehr teuer und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Ich bin der Überzeugung, ohne Sirenen wird das nicht funktionieren. Die Sirene ist das einzig wirkungsvolle Instrument, um auf ein Ereignis aufmerksam zu machen.

Gibt es denn überhaupt noch genügend in der Stadt?

Lampe Nein, sie müssten neu installiert werden.

Was viel Geld kostet ...

Lampe Je nach Standort bräuchten wir acht oder zwölf Hochleistungssirenen. Sie kosten pro Stück 25 000 Euro. Ich denke aber, sie sind notwendig, um die Menschen effektiv zu warnen.

Sorgen Sie sich um den Nachwuchs bei der Feuerwehr?

Lampe Bei der Freiwilligen Feuerwehr widmet sich eine Arbeitsgruppe der demografischen Entwicklung. Zurzeit hat die Freiwillige Feuerwehr 500 Mitglieder. Wenn wir nichts tun, wird die Zahl sich bis 2025 auf 100 reduzieren.

Wie kann man gegensteuern?

Lampe Es bräuchte Anreize. Ehrenamtler sollten zum Beispiel kostenfrei die Schwimmbäder oder den Nahverkehr nutzen können. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich gerade intensiv mit dieser Thematik.

Nach dem Streit mit der Stadt über nicht gezahlte Überstunden: Wie viele Ihrer Mitarbeiter wollen nicht mehr zu der früheren Überstunden-Regelung zurückkehren?

Lampe Die Zahl kann derzeit nicht konkret benannt werden, da der Prozess noch nicht abgeschlossen ist. Es gibt zu diesem Thema noch keine abschließende Bewertung. Wir gehen davon aus, dass wir aber in Kürze Klarheit darüber haben, wie viele Mitarbeiter nicht mehr zu der früheren Überstunden-Regelung zurückkehren werden.

Ralf Jüngermann, Gabi Peters und Fabian Eickstädt führten das Gespräch.

(RP)
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