Mönchengladbach Wenn Pfarren verschwinden

Mönchengladbach · Fast 50.000 Katholiken müssen Abschied von Traditionen nehmen. Der Bischof hat Pfarr-Fusionen angeordnet. Das verändert Personalstrukturen und Gewohnheiten. Das Bistum will Vertrauen unter den Betroffenen stiften.

 Die Eickener Kirche St. Elisabeth wird ab Januar 2010 mit der Kirche St. Mariä Himmelfahrt eine Pfarrgemeinde bilden.

Die Eickener Kirche St. Elisabeth wird ab Januar 2010 mit der Kirche St. Mariä Himmelfahrt eine Pfarrgemeinde bilden.

Foto: Detlef Ilgner

Nicht nur still, sondern "mucksmäuschenstill" ist es gewesen, als Pfarrer Albert Damblon seinen Gottesdienstbesuchern in der Gladbacher Hauptkirche den Beschluss des Bischofs verkündete: Die Hauptpfarre, die beiden Eickener Pfarren St. Elisabeth und St. Mariä Rosenkranz sowie St. Albertus und St. Barbara müssen sich bis Januar 2010 zu einer Gemeinde vereinigen. "Als Belohnung hat man das hier nicht empfunden. Hier herrscht eine ziemliche Verluststimmung", sagt Damblon über die Gemütslage vieler Gemeindemitglieder.

Reise ins Neuland

Ähnlich denken nicht wenige Katholiken in neun weiteren Mönchengladbacher Pfarren. Auf Geheiß ihres Aachener Hirten Dr. Heinrich Mussinghoff müssen aus diesen Gemeinden durch Fusion drei werden. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen und leerer Kassen schickt das Bistum aus der Not heraus sein Personal und fast 50 000 Katholiken im Stadtgebiet auf eine Reise ins Neuland. Viele treten sie nur widerwillig an. Gleichwohl: Es gibt auch Katholiken, die Veränderungen als Chance begreifen.

"Es wird noch mehr Kooperation und noch mehr Teamgeist geben. Das ist nicht das Schlechteste", prophezeit Propst Albert Damblon. Dass Zusammenarbeit zwischen Pfarren der Arbeit des priesterlichen Personals und auch der weltlichen Mitarbeiter nützen kann, hat er bei freiwilligen Kooperationen mit Nachbargemeinden erlebt.

Die angeordneten Fusionen haben tiefer gehende Konsequenzen. Die aus einem Zusammenschluss hervorgegangene Pfarre muss als Rechtsnachfolger nicht nur die Vermögen, sondern auch die Angestellten und Arbeitsverträge der früher selbstständigen Gemeinden übernehmen. Sie wird aber nur einen Pfarrer haben. Die übrigen Priester werden zu Vikaren, sofern sie in der Gemeinde bleiben.

Im Fusionsprozess hat Heinrich Mussinghoff stets das letzte Wort. Doch das erste sollen die Gremien und engagierten Katholiken der betroffenen Pfarren haben. Sie sollen beispielsweise den Modus der Fusion und den Namen der neuen Pfarre vorschlagen und auch ein Konzept für die seelsorgerische und gemeindliche Arbeit. Dass dabei aus Finanzgründen umgehend liebgewordene Einrichtungen oder gar Kirchen geschlossen werden, hält Damblon für unwahrscheinlich. "Ich kann keinem raten, gleich ans große Schlachten zu gehen", sagt er. "Wegen der großen emotionalen Betroffenheit ist es sinnvoll, in den ehemaligen Gemeinden möglichst viel an Einrichtungen, Verantwortung und Profil zu erhalten."

Geraten sich die zu fusionierenden Gemeinden in die Haare, soll Bernd Wolters schlichten. Der Bistumsmitarbeiter soll als Moderator, unterstützt von zehn Mitarbeitern der Gemeindeberatung des Bistums, die Fusionen begleiten. Über seine Aufgabe macht er sich keine Illusionen: "Mein Hauptjob wird sein, Misstrauen in vertrauensvolle Zusammenarbeit zu verwandeln."

(RP)
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