Mönchengladbach Wenn Kinder trauern

Mönchengladbach · Regelmäßig bietet das Deutsche Rote Kreuz Trauergruppen an – doch nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder, die ein nahestehendes Familienmitglied verloren haben. Bei den Treffen erfahren sie, dass sie mit ihrem Schmerz nicht alleine sind.

Regelmäßig bietet das Deutsche Rote Kreuz Trauergruppen an — doch nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder, die ein nahestehendes Familienmitglied verloren haben. Bei den Treffen erfahren sie, dass sie mit ihrem Schmerz nicht alleine sind.

Wer einen nahestehenden Familienangehörigen verliert, flüchtet als Erwachsener oft in die Einsamkeit und ins Schweigen. Der Mensch mag reifen mit den Jahren. Ob dies allerdings für seinen Umgang mit Trauer gilt? Wer an der Sitzung einer Kindertrauergruppe teilnimmt, die das Deutsche Rote Kreuz turnusmäßig veranstaltet, bezweifelt das.

"Ich kann jetzt darüber reden"

Die Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren, die an diesen Sitzungen teilnehmen, haben Furchtbares erlebt: Sie alle haben in den letzten Wochen oder Monaten ihren Vater, ihre Mutter, ihren Großvater oder ihre Großmutter verloren. Man hätte Verständnis dafür, würden sie schweigen, sich in ihren Zimmern einschließen und die Welt allein als Unglück empfinden. Doch es ist anders. Zumindest an diesem Nachmittag im DRK-Haus am Volksgarten.

Es handelt sich um ein Nachtreffen einer Kindertrauergruppe. An zehn Terminen saßen die Kinder im vergangenen Jahr beisammen. Zweieinhalb Stunden dauerte jeder — Stunden, in denen sie gemeinsam mit den Sozialpädagoginnen Karin Schmitz und Waltraud Aengenvoort versuchten, einen Weg aus der Trauer zu finden. Ein Seil auf dem Boden versinnbildlicht diesen Weg. Es ist zu einer sich weitenden Spirale geformt. "Zu Beginn", erklärt Schmitz, "ist die Trauer ganz dicht. Man denkt, es gibt keinen Weg hinaus. Doch mit der Zeit weitet sie sich und wird schwächer." Aengenvoort ergänzt: "Jedes Kind ist anders. Und auch die Trauer verändert sich mit den Entwicklungsstufen: Ein sechsjähriges Mädchen vermisst ihre Mutter anders als eine pubertierende 16-Jährige."

Bei den Sitzungen herrscht ein absolutes Schweigegebot — nichts von dem, was die Kinder dort erzählen, dringt zu ihren Eltern. Sie malen Bäume mit Blättern, auf denen die Namen von Freunden und Angehörigen stehen, sie sprechen von ihren Gefühlen, singen Lieder, manchmal messen sie sich nur im Kirschkernweitspucken. "Es ist gut, dass man seinen Schmerz teilen kann, dass man gemeinsam leidet", sagt ein Junge an diesem Nachmittag mit klarer, beinahe optimistischer Stimme. "Und bei den Spielen kann man auch für eine Weile vergessen." Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Ein anderer Junge sagt: "Natürlich bin ich noch nicht darüber hinweg, aber ich kann jetzt über meine Gefühle reden." Auch in seiner Stimme liegt Hoffnung. "Kinder", erzählt Aengenvoort, "trauern anders als Erwachsene. Sie fühlen sich ganz allein mit ihrem Schmerz auf der Welt. Es ist wichtig, dass sie sich austauschen können."

Bei diesem Nachtreffen sind auch die Mütter anwesend. Die meisten sind blass im Gesicht, sehen übernächtigt aus, eine junge Frau kämpft mit ihren Tränen. Immer wieder suchen die Blicke der Frauen den Kontakt zu den Kindern. Vielleicht finden sie bei ihnen schon jetzt Hoffnung und Zuversicht, den Glauben an eine Zukunft.

(fae)
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