Vortrag an der Hochschule Niederrhein Die Gegenspieler der Internet-Kriminellen
Krefeld · Seit 2020 werden in dem neuen Studiengang Cyber Security an der Hochschule Niederrhein und der Hochschule Bonn IT-Spezialisten ausgebildet, die Unternehmen, Kommunen und der Polizei helfen, Angriffe aus dem Digitalen abzuwehren oder aufzuklären. Die offizielle Eröffnung wurde wegen der Pandemie erst jetzt gefeiert.
Manchmal reichen einige Schlagzeilen, um den Ernst der Lage zu dokumentieren: „Cyber-Attacken kosten Unternehmen 203 Milliarden Euro“ oder „Hackerangriff auf ukrainische Stromversorgung“ (im Jahr 2015) oder „Ukraine vereitelt Cyberangriff“. Professor Karl Jonas, Leiter des Lernlabors Cybersicherheit an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, macht damit zu Beginn seines Vortrags an der Hochschule Niederrhein deutlich, wie wichtig es ist, Cyberangriffe mit ähnlich guten Waffen zu kontern.
Beide Hochschulen sind 2020 eine Kooperation eingegangen. In einem zunächst vom Land bei der Finanzierung auf drei Jahre angelegten Pilotprojekt, das gut Chancen auf eine Verlängerung hat, bilden sie an beiden Standorten Experten für Cyber Security, für Sicherheit im digitalen Bereich, aus. Wegen der Pandemie konnte erst jetzt die offizielle Eröffnung des neuen Studiengangs gefeiert werden. Und Beispiele aus der unmittelbaren Region machten deutlich, wie wichtig es ist, sich gegen solche Angriffe zu schützen: Die Stadt Witten, die IHK Mittlerer Niederrhein, die Uni-Klinik in Düsseldorf – sie alle wurden Opfer von Hackern. „Cyberkriminalität wird auch in der Region immer bedrohlicher. Das Rheinische Revier braucht gut ausgebildete Leute, die sich für den Mittelstand einsetzen. Wir bilden diese aus“, betonte Thomas Grünewald, Präsident der Krefelder Hochschule Niederrhein.
Diese Ausbildung kommt offenbar gut an, wie Professorin Gudrun Stockmanns, Mitglied im Leitungsteam, mit Zahlen belegte: Seit dem Start des Studiengangs im Herbst 2020 hat sich die Zahl der Studierenden von Semester zu Semester erhöht – trotz der Einschränkungen der Pandemie. „Zurzeit haben wir im Bachelor- und Master-Studiengang am Campus 390 Studierende“, so Stockmanns. Das Lehr-Team soll erweitert, das Angebot ausgebaut werden. So wird als nächstes der Studiengang „Digitale Forensik“ eingeführt, bei dem, in Kooperation mit der Polizei NRW, die Cybercops von morgen ausgebildet werden.
„Das Risiko eines Cyber-Angriffs ist hoch, der Schaden wird immer größer“, betonte Karl Jonas in seinem Vortrag. Es herrsche aber ein Mangel an entsprechenden Experten. Die werden am Campus für Cyber-Sicherheit mit einem hohen Praxisbezug ausgebildet – auch das Hacken von Computern gehört dazu. „Wer lernen will, wie man sein System verteidigt, sollte lernen, wie man es angreift“, betonte Jonas. Unternehmen und Behörden müssten sich bewusst sein, dass Sicherheit koste. Denn weil sich die technischen Möglichkeiten so rasch änderten, gehe es um „lebenslanges Lernen“. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion gaben außer Jonas und Professor René Treibert, der an der Hochschule Niederrhein das Clavis-Institut leitet, auch Bernhard Margos, Geschäftsführer von Bechtle Solingen, einem Systemhaus für IT-Lösungen, und Matthias Engel, Verbandsvorsteher der ITK Rheinland, ihre Eindrücke wieder.
Treibert berichtete aus der Praxis des Studiengangs. Die Polizei habe ihm und den Studierenden 30 bis 40 Fälle von Cyber-Kriminalität geschildert. „Wir haben die analysiert und daraus Kompetenzen für die Polizisten abgeleitet.“ Allerdings beobachte er, dass manche Unternehmen zwar die Notwendigkeit für entsprechende Schulungen ihrer Mitarbeiter sähen, sie aber nicht mehrere Tage entbehren wollten. „Deshalb arbeiten wir mit kleineren Einheiten, die in den Arbeitsalltag integriert werden können“, sagte Margos. Auf die Frage, was der Plan sei, wenn man gehackt würde, schilderte Matthias Engel den Fall der Stadt Witten, wo nach dem Angriff über Monate keine kommunale IT zur Verfügung gestanden habe. „In so einem Fall werden wir die Stadtverwaltung neu erfinden müssen“, so Engels. Die sei nämlich bereits sehr digital. Die Grundvorgänge müssten dann wieder auf Papier abgewickelt werden.