Mönchengladbach Von wegen Schnulzen-Howie

Mönchengladbach · Samstag singt Howard Carpendale im Hockeypark. Vorab verriet er uns, warum er nichts mit einem Schnulzensänger am Hut hat, er aber auch nicht der King of Pop ist, die Musik 40 Jahre lang neu erfindet und sich darauf freut, "Ti Amo" im Gladbacher Stadion zu singen.

Es konnte nicht gut gehen als Howard Carpendale 2003 verkündete, er wolle nie wieder auf einer Bühne stehen. Vier Jahre lang riss er sich am Riemen, sang kein einziges Lied mehr. Doch das Gefühl, was er so liebte, auf der Bühne zu stehen, das zu machen, was er am besten kann, verblasste nie.

Jetzt ist er wieder da, mit schnittiger blonder Mähne und bewährtem englischen Akzent, der nach Ansicht weiblicher Fans so sexy sein soll, dass sie für ihn sterben würden. Ganz so schlimm aber bitte nicht! Denn Howard Carpendale (63) ist heute in Gladbach — bei seinem Open-Air-Konzert im Hockeypark.

Herr Carpendale, 246.000 Einträge über Ihre Person bei Google, 43 Jahre Musikkarriere. Und doch kommt es mir vor, als gäbe es Sie schon immer.

Carpendale (lacht) Es kommt mir inzwischen auch so vor. Und ich bin unglaublich dankbar für diese lange Karriere. Nachdem ich 2003 aufhörte, wurde mir vier Jahre später klar, dass ich vergessen hatte, meinem Ziel zu folgen. Und meins war nie das Geld, sondern die Freude an der Musik.

Wie aber behält man in all den Jahren die Frische für das Showgeschäft?

Carpendale Viele denken immer, ähnlich wie bei Peter Maffay oder Udo Jürgens, der hat viele Fans. Man kann aber nicht nur durch die Fans 40 Jahre lang überleben. Essentiell ist die Authentizität. In dem Moment, wo ein Künstler anfängt Dinge zu tun, weil er glaubt, damit komme er gut an, verliert er ziemlich schnell. Alle meine Kollegen, mit denen ich vor 30 Jahren die ZDF-Hitparade gemacht habe, hatten damals mehr Erfolg als ich, aber spielen seit 20 Jahren keine Rolle mehr in der Branche. Denn sich treu bleiben heißt nicht stehen bleiben, sondern sich verändern, was zum Leben gehört.

Heute treten Sie open-air im Hockeypark auf. Als südafrikanischer Jugendmeister im Kugelstoßen und ehemaliger Formel-3-Fahrer wohl die perfekte Kulisse für einen Sportfan?

Carpendale Ich freue mich auf Mönchengladbach. Denn open-air zu spielen, ist eine Herausforderung. Und das was ich am besten kann. Denn es verlangt eine andere Dramarturige. Es wird viel temporeicher. Mit der Musik geht es nach vorne. Allein durch die Tatsache, dass man das Publikum sehen kann, habe ich ein ganz anderes Feeling. Es mag bestimmt 5000 Leute in Deutschland geben, die besser singen können als ich, aber auf der Bühne bin ich Zuhause, da kommen nur wenige mit.

Also sind Sie auch nicht nervös?

Carpendale Ich habe noch nie ein Problem damit gehabt. Und zudem habe ich jahrelange Erfahrung.

Wie hat sich Ihre Arbeit verändert?

Carpendale Man darf nicht langweilig werden. Einen riesigen musikalischen Schritt gehe ich im September mit einer neuen Platten. Und die Leuten werden merken, dass ist ein ganz anderer Sound, ohne aber fremd zu wirken. Zudem hat sich die Show stark entwickelt. Allein bei meiner letzten Tournee haben wir internationale Standards eingehalten. Wir haben Dinge ausprobiert, die es auf einer deutschen Bühne bisher nicht gab.

Sie sind also der King of Pop unter den Schlagerstars?

Carpendale Nein! Michael Jackson war ein Phänomen. Er war für mich ein Magier. Meine Show ist mehr eine Personality-Show, wo man den Künstler auch kennenlernt.

Sie wurden in Südafrika geboren. Ihre Eltern träumten davon, dass Ihr Sohn ein Politiker wird, Sie wollten lieber Sportler werden. Jetzt sind Sie Sänger. Ist alles schief gegangen?

Carpendale (lacht) Meine Eltern haben mir alle Freiheiten gelassen. Mit 18 bin ich dann nach England gegangen, weil ich wusste, in Südafrika habe ich keine Chance. Ich bin froh, Musiker geworden zu sein.

Apropos Musiker. Viel mehr spricht man von Ihnen doch als Schnulzensänger. Lust auf dieses Image?

Carpendale Kommen Sie morgen in meine Show, rufen mich danach an und sagen mir, ob Sie denken, dass ich ein Schnulzensänger bin. Und ich verrate Ihnen jetzt schon: Das bin ich nicht!

Also gibt es in Gladbach kein "Ti Amo"?

Carpendale Doch! Das ist auch Teil der Show. Aber jetzt ist es ein poppigeres Lied. Mein Ziel ist es, die alten Hits neu zu servieren. Aber nicht alle. Es wäre tödlich, ein Bühnenprogramm nur aus den alten Hits zu gestalten. Und ich singe auch Lieder von anderen Künstlern. In Gladbach wird man was von Silbermond, Kid Rock und Peter Maffay hören.

Sie covern also?

Carpendale Ja, das ist Teil der Show. Auch wenn Kollegen das nicht gut finden. Mir gefällt es. Und andere Dinge eben wieder nicht. Zum Beispiel Fotos machen.

Oder Rechenschaft über ihr Privatleben ablegen zu müssen? Wie jüngst, als es hieß, Sie hätten sich von Ihrer Lebensgefährtin getrennt, weil sie ein Alkohoproblem hat.

Carpendale Das ist Teil der Branche. Das Privatleben spielt eine Rolle. Wie weit man mitmacht, bleibt einem selber überlassen. Vielleicht habe ich manchmal zu offen gesprochen. Deshalb versuche ich, ab jetzt diese Themen zu vermeiden. Schauen Sie nur Boris Becker an. Er ist bei den 100 beliebtesten Deutschen der Bild-Zeitung nicht dabei. Warum? Weil er den Leuten mit seinen Privatgeschichten auf den Keks geht.

Philipp Coenen führte das Gespräch.

(RP)
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