Mönchengladbach Vom Unterschlupf zum Jugendheim

Mönchengladbach · Kleinkinderschule, Schlafstätte und Jugendtreff: Das alte Haus Zoar hat im Laufe der Zeit viele Menschen der evangelischen Christkuskirchen-Gemeinde beherbergt. Seit 2003 steht das Gebäude am Fliescherberg leer. In Zukunft könnte dort ein Hotel einziehen.

Stadtmitte Viele Jahre ging es lebhaft zu, in dem alten Haus Zoar am Fliescherberg, das seit 2003 leer steht. Nach seiner Eröffnung 1891 war dort die evangelische Kleinkinderschule untergebracht, und die Gemeindeschwestern und Schulleiterin hatten im Haus Zoar ihre Wohnungen – das Gebäude war jahrelang Zentrum der Christuskirchengemeinde. Im Krieg brannte es vollständig ab und nach seinem Wiederaufbau ging dort die evangelische Jugend ein und aus. Dabei war das alte Haus Zoar lange Zeit auch unter dem Namen "zweites Haus Zoar" bekannt: Die ursprünglich Einrichtung lag an der Kirchstraße und war als Schlafstätte für Fabrikarbeiterinnen gedacht.

Umbau zum "Kosthaus"

Denn durch den Wandel Mönchengladbachs zur Industriestadt im 19. Jahrhundert kamen immer mehr Arbeiter nach Mönchengladbach – unter ihnen waren auch alleinstehende Fabrikarbeiterinnen, die in vielen Fällen einen Schlafplatz benötigten. Der damalige Pfarrer Otto Zillessen suchte für die Frauen nach Unterkünften in evangelischen Familien oder stellte ihnen Schlafplätze in der damaligen Kleinkinderschule zur Verfügung. Die Betreuung übernahm die Gemeindediakonisse. Doch ab 1871 reichte die Unterkunft nicht mehr aus, immer mehr Arbeiter strömten von außerhalb in die Stadt – die Belastung wurde zu hoch für die Gemeindediakonisse.

Deshalb ergriffen die Gemeindemitglieder und evangelische Unternehmen die Initiative: Sie zeichneten Legate für den Bau eines Kosthauses, wie Hans-Martin Ruf in einer Chronik auf der Internetseite der evangelischen Gemeinden schreibt. Damit konnte die Gemeinde neue Schlafplätze schaffen: In der Kleinkinderschule an der Kirchstraße bauten sie die oberen Räume um, so dass dort ab 1874 das "Kosthaus Zoar" öffnete. Zusätzlich beherbergte es nun die Schlafzimmer für die Arbeiterinnen, eine Küche und ein Esszimmer. Für die Betreuung der Frauen stellte die Gemeinde eine zweite Gemeindeschwester ein und beauftragte die Kindergartenleiterin damit, sich zukünftig um die Arbeiterinnen zu kümmern. Zwölf Betten standen den Frauen zur Verfügung. Alle 14 Tage zahlten sie 10 Mark und bekamen dafür einen Schlafplatz und Verpflegung.

Doch ab 1885 änderte sich die Lage an der Kirchstraße: An dem Gebäude wurden Reparaturen nötig, die Schlafplätze waren immer weniger gefragt. Spenden, die für den Bau eines zweiten Haus Zoars gedacht waren, wollte man nun für den Bau einer Kleinkinderschule nutzen. Die zog in den heutigen bau am Fliescherberg, bis zu 100 Kinder wurden dort betreut. Auch einige Betten für die Arbeiterinnen zogen mit ins zweite Haus Zoar, doch die wurden bald darauf unnötig. 1943 brannte das Haus ab. Nach dem Wiederaufbau in den 1950er Jahren wurde es zum Treffpunkt der evangelischen Jugend, bis die Gemeinde es 1981 an die Stadt verkaufte und das neue Haus Zoar am Kapuzinerplatz baute. Danach war es rund 20 Jahre lang an die Galerie Löhr vermietet. In Zukunft könnte dort ein Hotel einziehen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort