Serie Was Macht Eigentlich? Vom Tante-Emma-Laden zur Chemiefabrik

Mönchengladbach · Helmar Broich hat als Volksschüler eine erstaunliche Karriere hingelegt: erst Bananen verkauft, dann die Lücke entdeckt, die Henkel ließ, und aus dem Nichts "hebro chemie" aufgebaut und teuer verkauft. Er war Motorsportler, Karnevalsprinz, sollte auch mal Präsident Borussias werden.

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Foto: Broich

Das Bild der uramerikanischen Tellerwäscher-Karriere drängt sich auf. Oder das eines Mannes, dem alles gelingt, was er anpackt. Dabei hat Helmar Broich nie im Rampenlicht stehen wollen. In seiner Heimatstadt Mönchengladbach, in der er bis heute lebt, kennt ihn die breite Öffentlichkeit allenfalls als Karnevalsprinz der Session 1993/94 oder als Fußballobmann des deutschen Amateurvizemeisters von 1990, Rheydter Spielverein.

Wahrscheinlich wäre sein Bekanntheitsgrad anders, hätte er 1997 das Amt angenommen, das ihm aus Borussias Aufsichtsrat angetragen wurde: Präsident beim ins Trudeln geratenen Fußball-Bundesligisten zu werden. Er hat abgelehnt. So bleibt die faszinierende Geschichte eines heute 72-Jährigen, der es nach der Volksschule sehr weit gebracht hat mit ausgeprägtem Geschäftssinn und sehr viel Fleiß.

Begonnen hat es nach seiner Lehre zum Industriekaufmann und dem folgenden "Schliff" in der Hosenfabrik Konrad Köhlen an der Wickrather Straße. Gleichzeitig arbeitete Helmar Broich auch im "Tante-Emma-Laden" seiner Frau in Güdderath. Frühmorgens zum Einkauf im Großmarkt nach Düsseldorf; nach zwölf Stunden war sein Arbeitstag zu Ende. "Und es kam gerade so viel heraus, dass wir knapp davon leben konnten." Er suchte etwas anderes.

Nach drei Jahren wechselte Helmar Broich zur Reederei Laisz, Hamburg, die mit dem Import von "Onkel-Tuca-Bananen" dem Branchenführer aus den USA "Chiquita" Konkurrenz machen wollte. Nach einigen Jahren wurde der Vertrieb jedoch eingestellt. Helmar Broich aber hatte als Verkaufsleiter erkannt, was er erreichen kann. Er nahm das Angebot an, als selbstständiger Handelsvertreter für einen US-Chemie-Hersteller den Markt chemisch-technischer Produkte im Raum Mönchengladbach/Düsseldorf aufzubauen. "Ich merkte bald, dass für diese Branche der Markt hier nicht gut besetzt war, darin sah ich meine Chance." 1974 gründete er in einer Garage in Güdderath die Firma "hebro chemie". Aus einer kleinen Fabrik in Koblenz bezog er die Produkte zur Reinigung und Entfettung für den industriellen Verwender.

Er baute einen professionellen Vertrieb auf. Mit der Entscheidung, Diplom-Chemiker anzuheuern, um selbst Produkte mit konstanter Qualität zu entwickeln und zu produzieren, ging es vorwärts. "Ich wusste, was der Markt braucht und habe Lücken gesucht, die von den Großen wie Henkel nicht bedient wurden", sagt Helmar Broich. Hohe Qualität mit umweltverträglichen Mitteln und Herstellungsmethoden brachten den Durchbruch am Markt. Die Firma wuchs rasant, auf den ersten Bauabschnitt (1978) im Gewerbegebiet Güdderath folgten 1984 und 1989 weitere Neubauten. Broich gründete Niederlassungen in Skandinavien und Österreich. Mit der "Wende" in Deutschland gab es 1989 die Chance für weiteres Wachstum. Dafür wurde aus einer sich auflösenden Firma für chemische Spezialprodukte aus der Ex-DDR der gesamte Mitarbeiterstab an Chemikern übernommen.

Dann kam 1992 das Angebot des börsennotierten britischen Konzerns Brent Chemicals International PLC, hebro chemie zu kaufen. "Es war so gut, dass ich nicht ablehnen konnte. Ich dachte, jetzt privatisiere ich, kann mein Hobby Motorsport ausleben und viele Rallyes fahren", sagte er und engagierte ein Techniker-Team und baute einen leistungsstarken Rallyewagen auf. Als Co-Pilot setzte sich der frühere Vertragsspieler Borussias Klaus Memmert zu Helmar Broich ins Auto. Gemeinsam fuhren sie viele Jahre Langstrecken-Rallyes: in Europa, Amerika, Asien und Afrika.

Helmar Broichs Hobby sind Oldtimer-Autos. Und davon hat er eine ganze Sammlung. Darunter sind etliche Mercedes, vom SSK aus dem Jahr 1928 bis zum legendären Flügeltürer 300 SL Coupé von 1955. Oder die von Rennsport-Legende Eugen Böhringer gebaute Rallyeausführung des 300 SE, mit der Broich und Memmert 2002 in Mexiko die berühmte Carrera Panamericana gewonnen haben - 4000 Kilometer weit bis auf 4000 Meter Höhe, bei 70 Grad Temperatur im Wagen. "Man ist stolz, wenn man sich dabei als Amateur gegen ehemalige Profis in reinrassigen Sportwagen und gegen junge Burschen durchgesetzt hat", sagt Broich.

Seine Sammlung seltener Oldtimer ist Hobby, eigentlich auch Kapitalanlage. Doch als die will Helmar Broich sie nicht sehen. Er hat einfach Freude an alten Autos, daran, sie zu fahren - heute bei historischen Langstreckenfahrten wie der legendären Mille Miglia. Seine Frau Fatima hat er angesteckt, wie einst schon den Rheydter Handelsschul-Inhaber Kurt Kahle, der im Juli 2000 beim Absturz der Concorde kurz nach dem Start in Paris Richtung USA eines der 109 Todesopfer wurde. " Eigentlich hätte ich auch in der Maschine sitzen sollen. Doch ich hatte absagen müssen, weil ich einen Umzugstermin auf Ibiza hatte."

Mit der Zeit hatte Helmar Broich festgestellt, dass "Privatisieren" ihm nicht reicht: "Irgendetwas muss der Mensch doch tun." Seitdem entwickelt er gewerbliche Immobilien (Bürohäuser, Märkte) und besitzt nun ein umfassendes Immobilienportfolio, zu dem größere Objekte in Berlin und Mönchengladbach gehören. Erstellen gewerblicher Immobilien, bauen und sanieren, um sie im eigenen Bestand zu halten: Das ist nach wie vor sein Geschäft.

Aber dazu auch wieder die Chemie: Brent Chemicals hatte hebro weiterverkauft, Mitarbeiter wurden entlassen. Helmar Broich gründete 1998 "helcotec" in Kaldenkirchen und engagierte Frank Breuer als Geschäftsführer. Nach dessen unerwartetem Tod 2012 holte er die Firma zurück in das von ihm neu erstellte Bürogebäude in der Trompeterallee in Wickrath. Die Produktion und das Lager wurden in das Gewerbegebiet Güdderath verlegt.

(RP)
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