Mönchengladbach Vier Jahre Haft im Prozess um tödlichen Sturz
Mönchengladbach · Wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung hat das Mönchengladbacher Schwurgericht gestern einen Angeklagten zu einer vierjährigen Freiheitsstraße verurteilt. Der 27-Jährige verfolgte aufmerksam, wie der Kammervorsitzende Lothar Beckers am Ende noch einmal die sinnlose Tat des Mönchengladbachers schilderte. Laut Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen handelte es sich dabei um eine "schwere seelische Abartigkeit".
Am 14. Juli 2010 war ein Ehepaar aus Grevenbroich in Rheydt über die Harmoniestraße geschlendert. Der 27-Jährige kam ihnen damals entgegen. Er war wütend. Voller Zorn hatte er kurz zuvor seine Bank verlassen, weil er vom leeren Konto kein Geld abheben konnte. Dann sah er den 81-jährigen Grevenbroicher und rief: "Was guckst du?". Danach sei es passiert, so die 69 Jahre alte Ehefrau. Der Angeklagte habe ihren Mann mit ausgestrecktem Arm zu Boden gestoßen – einfach so, ohne auch nur im Ansatz provoziert worden zu sein. Der 81-Jährige erlitt einen Oberschenkelhalsbruch und musste sofort operiert werden. Trotzdem verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Nach Krankenhausaufenthalten starb er im November 2010 im Pflegeheim – nach 40 Jahren Ehe war die Witwe allein.
Er habe lediglich geschubst, hatte sich der Mönchengladbacher verteidigt. Damals war er davongelaufen. Zeugen hörten, wie er auf der Flucht voller Wut rief: "Das habe ich nur gemacht, weil das Gericht mich heute zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt hat". Diese Strafe soll er sich wegen einer weiteren Körperverletzung eingehandelt haben. Die Kassiererin eines Supermarktes beobachtete den Flüchtenden damals ebenfalls und erinnerte sich: "Den kenne ich, der kommt jeden Tag ein paarmal und besorgt sich Alkohol". Außerdem sei er ein "sehr aggressiver Mensch", so die Kassiererin in ihrer Zeugenaussage.
Nach einem eher halbherzigen Geständnis hatte der Gladbacher einen chaotischen Lebenslauf mit frühen Schul- und Drogenproblemen geschildert. Bildungs- und Fördermaßnahmen brach er regelmäßig ab.
Der Angeklagte habe zur Tatzeit unter einer Psychose nach Drogenmissbrauch gelitten. Nach Panikattacken und Alkoholmissbrauch habe er sich nur noch eingeschränkt steuern können, so das Ergebnis des psychiatrischen Gutachtens. Die Folgen des Sturzes, eine Lungenentzündung und eine Lungenembolie waren ursächlich für den Tod des Grevenbroichers, so das Gutachten der Rechtsmedizinerin. Bei der Urteilsfindung berücksichtigen die Staatsanwältin und das Schwurgericht das Ergebnis des psychiatrischen Gutachters, der dem 27-Jährigen verminderte Schuldfähigkeit attestiert hatte.