Mönchengladbach Verwirrende Bilder von der Liebe

Mönchengladbach · Christoph Roos inszeniert ein Stück von Joël Pommerat. "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" konfrontiert mit eher abgedrehten Seiten von Liebesbeziehungen. Ein Panoptikum aus skurrilen, absurden und komischen Geschichten.

 Eine Szene aus "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas".

Eine Szene aus "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas".

Foto: Matthias Stutte

Die Liebe ist für den Schauspieler und Regisseur Joël Pommerat (54) eine dankbare Inspirationsquelle. Aber keine, die für heile Welt oder Selbstvergewisserung von Gefühlen steht. Im Gegenteil, gleich die erste Szene seines Episodenstücks "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas gibt Rätsel auf. Lakonisch eröffnet da, mutterseelenallein auf einen Stuhl gebannt, Esther Keil den Blick auf ihre durch Lieblosigkeit verdorrte Ehe. Hart, schonungs- und hoffnungslos. Hinter ihren knappen Worten, in denen sie Fragen einer Scheidungsanwältin (Eva Spott) beantwortet, lauert dennoch auch Komik. Eine der grimmigen Art. Besonders krass umgesetzt findet sich dies in der makabren Episode 3, "Großreinemachen", wo zwei Putzfrauen den erhängt vom Schnürboden baumelnden Mann ihrer Kollegin (Denise Matthey) entdecken, über den diese Corinne dann hemmungs- und ahnungslos ablästert. Der Schock ist ihr in wenigen Minuten gewiss.

In den 16 Szenen, die Regisseur Christoph Roos für die Produktion, die nun in Rheydt Premiere hatte, aus 19 Bildern wählte, schwingt auch kafkaeske Absurdität mit. Beklemmend für den Lebensgefährten (Bruno Winzen) einer Frau (Eva Spott) ist die Begegnung mit deren geheimnisvollen Bekannten (Christopher v. u. z. Lerchenfeld) aus Kindertagen. Als sie mit dem Fremden fortgehen will, verhindert dies schlag-fertig ihr Partner. Doch nun, tief verunsichert, ist er es, der seine Frau verlässt. Eine Konstellation, die wenig Wahrheitsgrund, aber reichlich Fantasie verrät. Ebenso die spannend gespielte Episode, da Lerchenfeld (ehemals Christopher Wintgens) und Eva Spott ein kinderloses Ehepaar darstellen, das dennoch eine Babysitterin (mit famoser Mimik: Anna Pircher) engagiert. Der Sketch verflacht auf halber Strecke und entbehrt der Schlusspointe. Entbehrlich wäre auch die Slapstick-Nummer "Schlüssel" über zwei Freundinnen.

Besser erfunden sind Szenen wie die mit einem Bräutigam (Bruno Winzen), der kurz vor der Heirat mit Christelle (Carolin Schupa bei ihrem gelungenen Debüt im Mönchengladbach Theater) wegen vager Affären mit deren vier Schwestern in die Bredouille gerät. Reife Klasse hat die Geschichte, in der ein überdrehtes Elternpaar einen Lehrer (Philipp Sommer) verdächtigt, ihren Sohn auf der Klassenfahrt missbraucht zu haben. Pommerat lässt offen, ob der Lehrer tatsächlich schuldig ist oder ob die Auseinandersetzung bloß auf die aufgeschaukelte Hysterie der Eltern (Keil, Winzen) zurückgeht. Dass der Junge Bettnässer ist, deutet darauf, dass die Ursache der Störung der kindlichen Psyche eher im Elternhaus zu finden wäre.

Bühnenbildner Peter Scior hat den Akteuren vor einer fahrbaren Holzfassade mit Lamellenjalousien viel Freiraum gelassen. Dadurch ermöglicht er gleitende Übergänge und die passgenaue Wiederaufnahme angespielter Szenen, die später eine zweite Halbzeit erleben. Der Krefelder Komponist Markus Maria Jansen nimmt die Darsteller für einen Teil seiner Schauspielmusik aktiv in die Pflicht. Sie sorgen, Saiten zupfend und mit Schlägeln gegen Wände trommelnd, für perkussiv geprägte Zäsuren, welche die absurde Seite des Spiels unterstreichen. Der Schlussapplaus hielt sich in gediegenen Grenzen.

Vorstellungen: 10., 19., 22. Oktober.

(ri)
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