Reisebericht aus dem Rheinland Warum die Bahnfahrt Düsseldorf-Mönchengladbach zur unwägbaren Expedition werden kann

Serie | Mönchengladbach · Bahnfahrten von Düsseldorf nach Mönchengladbach halten regelmäßig unkalkulierbare Überraschungen bereit, vor allem spät abends. Ein sehr subjektiver Leidensbericht mit der Erkenntnis: Mallorca kann schneller gehen.

 Die S-Bahn 8 fährt von Düsseldorf nach Mönchengladbach – und bietet Fahrgästen mitunter eine Menge Überraschungen.  Foto: Andreas Bretz

Die S-Bahn 8 fährt von Düsseldorf nach Mönchengladbach – und bietet Fahrgästen mitunter eine Menge Überraschungen. Foto: Andreas Bretz

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Vom Düsseldorfer Hauptbahnhof zum Mönchengladbacher Hauptbahnhof sind es genau 24,39 Kilometer Luftlinie. Oder aber bis zu vier Stunden Reisezeit mit der Bahn. Nimm dir also Essen mit, es kann länger dauern. Wer die gewiss komplizierte Reise mit der Bahn antritt, kann sich aber fest auf den Hausmeister des Düsseldorfer Flughafens verlassen.

Es ist ein sehr früher Sonntagmorgen im Februar 2020, als ich auf dem Putzwagen des Hausmeisters durch das ansonsten gähnend leere Terminal mitfahren darf, damit ich doch noch irgendwann an mein Ziel komme. Das heißt nicht Mallorca, sondern einfach nur Mönchengladbach. Aber in dieser Nacht wäre die Reise vom Düsseldorfer Hauptbahnhof nach Palma womöglich schneller gewesen als nach Mönchengladbach. Gewiss zumindest einfacher. Ein Erlebnisbericht voller Pannen, Ausfälle und anderer Probleme, die einen unbedarften Fahrgast sehr schnell ins Nirvana führen können.

Ich erreiche den Düsseldorfer Hauptbahnhof gegen 1.15 Uhr in der Nacht und stelle fest, dass die S-Bahn 8 nach Mönchengladbach, die um 1.30 Uhr fahren soll, einfach mal ausfällt. Das ist (oder war zumindest zeitweise) tatsächlich häufiger so, manchmal fährt nur jeder zweite Zug. Also vertreibt man sich die Wartezeit am Düsseldorfer Hauptbahnhof bis 2.30 Uhr mit einem Hörbuch in den Ohren. Als dann die S-Bahn 8 endlich einfährt (man achtet ja genau auf die Anzeige am Zug), lasse ich mich in einen Sitz fallen und denke: Kann ja nix passieren, Mönchengladbach ist Endstation. Das Hörbuch (Babylon Berlin) ist echt gut.

Nach dem Halt in Neuss aber werde ich stutzig. Warum kommt jetzt nicht allmählich Kleinenbroich, Korschenbroich, Mönchengladbach-Lürrip? Sondern Düsseldorf Airport? Es ist mitten in der Nacht, als der Zug mich (und ein paar Reisende mit Koffern) am leeren Düsseldorfer Flughafen ausspuckt. Ich komme gerade noch dazu, einen Zugbegleiter zu fragen: Warum sind wir hier? Die Antwort: In Neuss wurde die S-Bahn in zwei Teile getrennt. Ein Teil fuhr nach Mönchengladbach weiter, aber meiner eben zum Flughafen. Natürlich wird es Ansagen gegeben haben. Aber mit Kopfhörern in den Ohren hört man das nicht. Und auf den Displays im Zug war nix zu erkennen.

Der Blick auf den Fahrplan am Flughafen verrät mir, dass der nächste Zug zurück vom Flughafen zum Düsseldorfer Hauptbahnhof erst so gegen 5 Uhr geplant ist. Ich habe also zwei Möglichkeiten: Ich schlafe am Flughafen bis die nächste Bahn so freundlich ist, mich wieder aufzunehmen, oder ich fliege doch nach Malle! Ich wähle die dritte und frage den vorbeifahrenden Hausmeister auf dem Putzwagen. „Versuchen Sie es doch mal am anderen Flughafenbahnhof.“ Es gibt also zwei? Erstaunlich! Er ist sogar so freundlich, dass er mich auf dem Wagen mitnimmt zur anderen Station. Und tatsächlich erwische ich dort nach nur wenigen Minuten Wartezeit den nächsten Zug zum Hauptbahnhof. Dort angekommen, fährt die nächste S-Bahn nach Mönchengladbach nicht um 3.30 Uhr, sondern um 4.30 Uhr. Nur jeder zweite Zug... Diesmal achte ich dann aber peinlich genau darauf, in welchen Teil des Zuges ich einsteige. Die Kopfhörer sind längst verstaut. Und ich schaue in Neuss genau hin: Aber diesmal wird der Zug nicht getrennt in zwei Teile, alle Wagen rollen nach Mönchengladbach. Gegen 5.10 Uhr bin ich am Hauptbahnhof. Nach vier Stunden sind 24,39 Kilometer bewältigt, und ich bin um eine Erfahrung reicher. Niemals, absolut niemals mehr Kopfhörer benutzen, denn jede Bahnfahrt kann eine unkalkulierbare Unwägbarkeit beinhalten.

Dass diese Erkenntnis Gold wert ist, lerne ich am 26. November 2021. Ein später Freitagabend, an dem ich mit dem Regionalexpress von Düsseldorf nach Mönchengladbach fahren will. Der Zug fährt ein, Mönchengladbach steht auch als Ziel darauf. Doch an diesem Abend wird in Rheydt eine Bombe an der Eisenbahnstraße entschärft, erklärt die Durchsage: „Dieser Zug fährt deshalb ohne Zwischenhalt bis Aachen.“ Wer ein Hörbuch hört, kann also schon mal ein Hotel in der Domstadt buchen. Ich verlasse hingegen mit vielen anderen Reisenden fluchtartig den Zug. Was ist eigentlich mit Gehörlosen?

Dagegen ist die Fahrt kürzlich von der Rheinkirmes nach Mönchengladbach äußerst kreativ. Die S-Bahn 8 fährt an dem ganzen Wochenende nicht, also geht es mit der Straßenbahn mit Hunderten Leidensgenossen spät abends nach Krefeld und von dort mit dem Zug nach Mönchengladbach. Es dauert Stunden, ist ziemlich unkomfortabel, aber es ist planbar. Düsseldorf - Mönchengladbach – so fern kann nah im Nahverkehr sein.

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