Mönchengladbach Unschuld vom Lande und Luxus-Dame
Mönchengladbach · Bei einer Matinee im Theatercafé gab das Regieteam Interessierten Einblicke in die Handlung, Inszenierung, Ausstattung und Musik der Oper "Manon" von Jules Massenet. Und Mitwirkende weckten mit brillanten Gesangsbeiträgen Appetit.
"Sie erschien mir so liebreizend, dass ich [ . . . ] plötzlich bis zur Entzückung entflammt war." Mit diesen Worten schildert der junge adelige Student des Grieux seine erste Begegnung mit der blutjungen Manon Lescaut. Er spricht das Mädchen an, erfährt, dass sie von ihrem Cousin in ein Kloster gebracht werden soll - und überzeugt Manon, lieber mit ihm nach Paris durchzubrennen.
Den Stoff hat Giacomo Puccini, der für hochdramatische Bühnenwirkungen ein Händchen besaß, einem Roman des 18. Jahrhunderts entlehnt, den der Abbé Prevost 1731 veröffentlichte. Bereits neun Jahre, bevor Puccinis "Manon Lescaut" in Turin erstmals über die Bühne ging - auf Italienisch -, hatte Jules Massenet (1842-1912) die literarische Vorlage als Opernsujet genutzt: Seine fünfaktige Oper "Manon" wurde 1884 in Paris uraufgeführt. In französischer Sprache, versteht sich.
Zum allerersten Mal seit Bestehen des Gemeinschaftstheaters Krefeld/Mönchengladbach steht die "Manon" in Massenets Fassung hier auf dem Spielplan. Bei der Einführungsmatinee im überfüllten Theatercafé Linol erklärte der französische Regisseur François De Carpentries den Besuchern, wieso das spätromantische, stark von der Melodie (mit impressionistischen Zügen) definierte Werk der Gattung "opéra comique" zugewiesen wird.
Nicht, weil es eine komische Oper wäre, denn "Manon" endet tragisch mit dem Tod der Titelheldin, die zwischen widerstreitenden Neigungen - echte Liebe versus Hang zum Luxusleben - hin- und hergerissen wird. "In der Opéra comique wird nicht durchgesungen wie in der Grand'Opéra, sondern es gibt eine Mischung von gesungenen und gesprochenen Texten", informierte De Carpentries. Bei Massenet, setzte Musikdirektor Mihkel Kütson hinzu, werden oft Leitmotive als Stilmittel eingesetzt, und gesprochene Dialoge werden, nach Art des Melodrams, gern von Instrumentalmusik unterlegt.
Gespannt dürfen die Opernfreunde sein, wie die Regie mit den verschiedenen Zeitebenen umgeht. Bühnenbildner Siegfried E. Mayer behauptete etwas irreführend: "Die Oper spielt heute, 2015." Andererseits spiegelten manche Bilder - zum Beispiel die barock-opulenten Kostümorgien - Erinnerungen der Manon im Rückblick kurz vor ihrem Tod wider. "Und das war mein Leben?!", resümiert die Kurtisane im letzten Akt, der in einer Wüste in Amerika spielt. "Manon ist unschuldig und zugleich ohne Skrupel", charakterisiert De Carpentries das "Mädchen vom Land".
Der Entwicklungsgang des Dramas, so Kostümbildnerin Karine Van Hercke, werde an den Kleidern sichtbar. "Am Anfang ist Manon arm, ihr Kleid wirkt zusammengestückelt, und den Mantel hat sie offenbar von einem Mann gestohlen." Später entfalte sie, als Geliebte des Grieux', die diesen bald wieder verlässt, um sich von reichen Gönnern aushalten zu lassen, koketten Glanz. "Dabei spielt die französische Hof-Etikette eine große Rolle", so Van Hercke. Lange Schleppen, Schnürtaillen und Faltenwerk prägen die Szenen.
Wie elegant, ja edel-parfümiert die Musik klingt, führten famos Sophie Witte (Manon), Kai Scholdybajews (Des Grieux) und Rafael Bruck (Lescaut) in Arien und Duetten vor. Dafür gab es Ovationen - schon eine ganze Woche vor der Premiere.