Mensch Gladbach Und jetzt sorgt Gladbach wieder für Provinzpossen

Mönchengladbach · Die Stadt ist im Aufbruch. Stimmt. Es hat sich hier viel Gutes getan. Aber die Stadt liefert auch bereitwillig Material für Provinzpossen. Die Stadtplaner im "Dorf Mönchengladbach" - so stand es jüngst in der Süddeutschen Zeitung - scheinen zum Beispiel nicht zu wissen, dass sie Pläne studieren müssen, wenn sie einen Platz verändern wollen.

Als sich vor gut vier Jahren im Gründerzeitviertel eine Gruppe meldete und den Schillerplatz schöner und bürgerfreundlicher machen wollte, winkten zahlreiche Politiker und Verwaltungsleute ab. Alles Fantasten, die mit der üblichen Forderung nach viel Geld Gutes bewirken wollen - so lautete die damalige gängige Einschätzung. Und ja, dieses (Vor-)Urteil war und ist auch heute in manchen Fällen berechtigt: Mit Millionen aus öffentlichen Fördertöpfen kann oft Segensreiches getan werden. Nur: Die Stadtkasse war und ist heute noch leer. Aber die engagierten Bürger aus dem Gründerzeitviertel waren - um es salopp zu sagen - ganz anders drauf: Sie schenkten der Stadt ihren Einsatz. Sie forderten nicht, sie brachten sich sogar mit ihrem Geld ein.

Am Ende entstand etwas, was über Eicken hinaus auf die gesamte Stadt ausstrahlte. Bürger orientierten sich im Gros und machten der Stadt ein Angebot: Wir liefern dir etwas, und du unterstützt uns dabei. Ja, werden Sie sagen, das hat es doch immer schon gegeben. Richtig: In Vereinen, im Brauchtum, in Gesellschaften, in Honschaften ist das schon lange Usus. Aber die Gründerzeit-Leute haben mit dieser Form der Kombi-Finanzierung für Projekte, die der Allgemeinheit dienen, der Stadt einen großen Dienst erwiesen. Vielerorts entwickelt sich seitdem Vergleichbares: Damen retten einen kleinen Weiher, neue Dorfplätze entstehen ohne viel Aufhebens, Spielplätze werden auf Vordermann gebracht. Und die Politiker begleiten dies mit einem Programm, das den sperrigen Titel "Wohnumfeldverbesserung bei bürgerschaftlichem Engagement" trägt.

Alles gut also. Nee, eben nicht. Ausgerechnet die Verwaltung, die das Schillerplatz-Projekt nach anfänglicher Skepsis begeistert mitgetragen hat, sogar einen Workshop dazu organisierte, scheint in einen Tiefschlaf gefallen zu sein. Da blieb zunächst ein Löschwassertank unentdeckt, der erst mit Dämmmasse gefüllt werden musste. Jetzt stellte sich heraus, dass ein Kriegerdenkmal versetzt werden muss. Das sorgt für Probleme, weil sich die Umgestaltung des Schillerplatzes jetzt erneut für weitere Wochen, wenn nicht sogar für Monate verzögert.

Wo sind wir hier? In Griechenland? Wassertank, Kriegerdenkmal - das sind keine Artefakte einer römischen Siedlung, die einst am Schillerplatz gestanden haben könnte. Da gibt es Pläne, und die muss man als Stadtplaner nur mal studieren. Nicht nur für OB Hans Wilhelm Reiners, einst Teilnehmer am Workshop und heute Interims-Planungsdezernent, ist das peinlich.

Mönchengladbach liefert gleich Material für eine weitere Provinzposse. Im Oktober soll es an sechs Abenden im Wickrather Kunstwerk ein Oktoberfest nach bayerischem Vorbild geben, kombiniert mit rheinischer Karnevalsmusik. Anfang September ist aber das "Wiesnfest" im Nordpark. Und jetzt ärgert sich MKV-Chef Bernd Gothe über diese Konkurrenzveranstaltung im Kunstwerk. Ach, Gottchen. Der liberale Gothe, einst Anhänger der FDP, torpediert die Gesetze des freien Marktes. Lieber Herr Gothe: Der Gladbacher trinkt auch zweimal.

Das kann er am Wochenende auch bei der Bierbörse tun, die angeblich die erste in der Stadt ist. Irrtum. Es gab sie früher bereits in Rheydt. Trotzdem: Prost!

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort