Mensch Gladbach Und jetzt der Wetterbericht

Mönchengladbach · Panta Rhei. Alles fließt. Weswegen ja der Rampen-Schnee von vergangenem Wochenende wahrscheinlich irgendwann als Regenschauer bei einer Schützenparade runter regnet. Aber dass selbst die kleinen Mülltonnen und Haus Westland mit zum ewigen Kreislauf gehören, ist schon epochal. Tauchen Sie ein in die wundersame Welt des Wandels!

Menschen, die aus ganz anderen Galaxien - also zum Beispiel aus Köln - nach Mönchengladbach ziehen, stellen nach einer Woche gerne folgende Frage: Echt cool diese stabilen Tischabfallbehälter, die ihr hier habt. Aber wo ist die Mülltonne? Und dann fängt man an zu erklären. Von der kleinen Politik und der großen CDU. Von den Bohnens und Oberems und Kuckels des Gladbacher Kosmos. Und von der größten Bürgerbewegung seit dem Veilchendienstagszug. Und dann fragen diese Menschen im Zustand allumfassender Perplexität: Das wollen die Mönchengladbacher wirklich so?

Nun ist es ja im Leben so, dass der Zeiten Läufe über die Jahre schon mal die Erinnerungen zum Tanzen bringen. Die gruppieren sich dann ganz wild zu Legenden wie: Der Junge mag keine Bohnensuppe. Wovon der Junge zwar gar nix weiß, es aber aufgrund der Vehemenz, mit der es vorgetragen wird, lieber mal selbst glaubt. Drum ist es eine echt töfte Idee, die Bürger zu fragen: Wollt Ihr kleine Mülltonnen und mehr zahlen oder große und weniger zahlen? Politiker, die schlauer sein wollen als die Wähler, die ihre Chefs sind, haben ja ohnehin kaum mehr Halbwertzeit als Rampen-Schnee.

Aber jetzt auch noch Haus Westland! Dass das mal verschwindet, war seit Jahrzehnten das einzige, was noch ein bisschen unwahrscheinlicher war als das Abdanken von Bernd Gothe als Karnevals-Papst. Gladbach ohne seine größte Schrott-Immobilie? Am Ende gar ohne den Busbahnhof, auch er ein echtes Alleinstellungsmerkmal der Trostlosigkeit? Das glaube ich persönlich erst, wenn ich es mit eigener Gleitsichtbrille sehe.

Doch es kann rappzapp gehen. Wie bei Borussia. Schubert, der mega Siegesserien-Held von neulich, hat das Kunststück fertig gebracht, ausgerechnet in vermeintlich bedeutungslosen Spiele entscheidenden Kredit zu verspielen. Sowohl in Dortmund als auch in Barcelona darf ein Team vom Kaliber Borussias verlieren. Zur Not auch saftig. Aber eben nicht kampflos, leblos, teilnahmslos. Nun kann Schubert wohl nur noch mit einer ganzen Serie von Hurra-Siegen seinen Job retten. Sonst heißt es: Der Nächste, bitte! Sehr bald.

Da ja jetzt wieder die Zeit kommt, in der das Wünschen genauso wenig hilft wie sonst auch, man es aber um so offensiver versucht, hätte ich einen bescheidenden Vorschlag. Könnte man nicht Diskussionen führen, ohne dass der alte Pawlow vor Freude in seinem Grabe sabbert? Das Reflexhafte, wenn es um Meinungen geht, hat sich über die sozialen Netzwerke ins echte Leben geschlichen und richtet dort viel Unheil an. Ein Ultra ruiniert sich in einer Sekunde sein halbes Leben und muss ins Gefängnis. Scheiß Justiz - krakeelen die Ultras. Typisch gewalttätige Fußballfans, brummelt der Rest. Die Sparkasse schließt Filialen. Die schauen nur auf ihren Profit und bringen unseren Stadtteil um, rumoren die Anwohner und Geschäftsleute. Wie sie was zu finden haben, wissen immer mehr Menschen binnen Sekunden. Weil sie ihren Wertekanon so festgezurrt haben, dass es keine leise Irritation mehr ins Innerste schafft. Schwarz. Weiß. Ja. Nein. 0. 1. Fertig! Dabei sind viele Fragen, wenn man sich den Luxus leistet, über sie nachzudenken, so vielfältig funkelnd wie ein klarer Wintermorgen.

(RP)
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