Mönchengladbach Theater wird zum Tollhaus

Mönchengladbach · Frank Matthus inszeniert "The Rocky Horror Show" als schrille Ausstattungs-Revue mit fetziger Live-Musik in der Rheydter Stadthalle. Einen Großteil Spaß hat das Premierenpublikum mit sich selbst. Am Ende ist das Parkett eine Müllhalde aus Reis, Klopapier und Konfetti.

In Strapsen hat sich keiner ins Theater getraut zur "Rocky Horror Show". Aber ganz schön viele "Verrückte" sind schon im Premierenpublikum: Damen jeden Alters küren die Federboa zum angesagtesten Accessoire, daneben scheint der Petticoat wieder im Trend zu liegen, abenteuerlich steile Pumps ebenfalls. Mann trägt Jeans, manchmal bunten Frack, knallenges T-Shirt oder Blümchenhemd. Außerdem scheinen pinke oder lila Perücken im Kommen, ebenso wie die löchrige Netzstrumpfhose. Und während sich das Foyer zur ausverkauften Vorstellung füllt, gellen schrille Schreie von den frisch auf Hochglanz gebrachten Marmorwänden: Die "Phantome des Theaters" machen blut- oder sexlüstern Jagd auf junge Mädchen.

Funktioniert bestens

Richard O'Brians schwüle Travestieshow, die sich in den 70ern als Film Kultstatus eroberte, funktioniert auch auf der Bühne bestens. Denn all die Publikums-Handlungen, die sich im Lauf der Jahre in den Kinos entwickelten, gehen im Theater natürlich auch — jedenfalls, wenn die Regie es darauf anlegt. Frank Matthus gibt in seiner Inszenierung "dem Affen Zucker" — die zu erwartenden Saal-Kommentare hat er zum großen Teil bereits eingearbeitet. Ausstatterin Johanna Maria Burkhart zitiert fleißig die schrille Film-Garderobe, die den "Sweet Transvestite" Dr. Frank N. Furter in Strapse und Pumps kleidet, seine skurrile Gruselschloss-Festgesellschaft in allerlei morbide-erotischen Halbgewänder und das schüchterne Spießerpärchen Janet und Brad in Studentenkluft und wenig Aufregendes drunter. Die Bühne ist ein Durcheinander aus Treppen, Geländern, plüschigen Vorhängen, dem unvermeidlichen Aufzug, ebenfalls schamlos aus der Geschichte des Horror- und Science-Fiction-Films zitiert. Sogar ein R2-D2, der knubbelige Star-Wars-Roboter, rollt durch die Szene. Dabei gab's den 1975 noch gar nicht. Das ist alles wunderbar.

Denn die Schauspieltruppe, deren etliche Mitglieder gerade noch in Ibsens "Hedda Gabler" tiefgründig zu erleben waren, hauen als Musical-Stars gehörig auf die Pauke. Esther Keil als Magenta ist im Auftrittssong ein echter Hit, legt aber die musikalische Messlatte so hoch, dass man am Ende feststellen kann: Zum Singen gerade dieser rockigen Songs sind die meisten Darsteller nicht geboren. Einzig Felicitas Breest als Janet vermag auch stimmlich zu entzücken, der Rest kompensiert mit Schauspieltalent. Die Fäden der krausen Geschichte zieht Adrian Linke als Frank N. Furter so schamlos wie genial, zeigt viel Body und Bewegungstalent. Paul Steinbach als buckliger Riff-Raff ist ebenso ein Kracher wie Helen Wendt als freizügige Columbia und Joachim Henschke als Dr. Scott im Rollstuhl, der sich am Ende den Anzug vom Körper reißt und schräge Dessous offenbart. Dazu macht die Band um Willi Haselbeck so stilsicher-mitreißend Musik, dass vom berüchtigten Time-Warp das Publikum elektrisiert wird.

Im Saal feiert man sich über manche nicht so spannende Passage hinweg selbst. Man grölt und zischt, schnippst und klatscht, pöbelt mit Hingabe vielstimmig "boaring!", wenn der Erzähler (ganz köstlich für jeden Zwischenruf zu haben: Matthias Oelrich) von seinem Gelehrtentisch am Rande in die Szene eingreift. Am Ende ist das Parkett eine Müllhalde aus Reiskörnern, Klopapier, Zeitungen und Konfetti.

(RP/jul)
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