Mönchengladbach Theater gibt Operngastspiel in Estland

Mönchengladbach · 14 Trucks werden vom Niederrhein aus auf die Reise gehen. 240 Theaterleute fliegen nach Estland. Das Theater wird im Juli das Saaremaa Opernfestival bestreiten. Die Sänger und das Orchester werden fünf Inszenierungen zeigen.

 Eine der schönsten Szenen aus "Cavalleria Rusticana" ist die große Osterprozession des Opernchores. Damit präsentiert sich das Theater am 19. Juli in Saaremaa.

Eine der schönsten Szenen aus "Cavalleria Rusticana" ist die große Osterprozession des Opernchores. Damit präsentiert sich das Theater am 19. Juli in Saaremaa.

Foto: Matthias Stutte

Für die Esten ist "Krefeld/Mönchengladbach" ein echter Zungenbrecher. "Und sie verbinden damit bestenfalls Fußball", sagt Generalmusikdirektor (GMD) Mihkel Kütson. Bis zum Sommer sollte sich für viele nicht nur die Aussprache, sondern auch die Bedeutung geklärt haben: Das Theater ist der Gast beim Jubiläum des Saaremaa Opernfestivals. Eine Gastspielreise, wie sie die Bühnen in diesem Ausmaß nie zuvor angetreten sind. Vom 18. bis 22. Juli wird das Ensemble fünf Aufführungen zeigen - an jedem Abend eine andere. 14 Trucks werden vom Niederrhein aus auf die Reise gehen. 240 Theaterleute, die vor, auf und hinter der Bühne agieren, werden nach Estland reisen: Orchester, Sänger, Bühnenarbeiter, Techniker, Maskenbildner - eine große logistische Aufgabe. Denn das Publikum in Estland will keine "Light-Fassung" sehen, sondern alles, was das Gemeinschaftstheater zu bieten hat. "Es wird ein großer Betriebsausflug - allerdings mit sehr anstrengendem Programm", fasst es Operndirektor Andreas Wendholz zusammen.

Es beginnt mit "Lohengrin" (18. Juli). "Ein deutsches Opernhaus, das Wagner zeigt, das will man sich nicht entgehen lassen", erklärt Intendant Michael Grosse. Weiter geht es mit "Cavalleria Rusticana / Gianni Schicchi" (19. Juli), "Carmina burana" in konzertanter Fassung (20. Juli) und "Ein Maskenball" (21. Juli), und es endet mit einer Operngala, bei der auch namhafte internationale Solisten mitwirken werden (22. Juli). Fast ein Drittel der Karten sind bereits verkauft. Das Vertrauen in das unbekannte Theater aus Deutschland ist groß. Denn das Festival hat einen klangvollen Namen. "Es ist neben der Natur die bedeutendste Attraktion", sagt Kütson. Er ist das Verbindungsglied. Für das Festival werden namhafte Häuser eingeladen, die einen estnischen Bezug haben - zuvor die Helikon Opera Moskau, die Nationaloper der Ukraine, die Ankara Staatsoper, das Teatro di Milano oder im vergangenen Jahr die Oper Breslau. Seit zehn Jahren organisiert die größte staatliche Konzertagentur das Festival, das aus den "Kuressaare Operntagen" hervorgegangen ist. Deutschland war ein Wunsch-Gastland. Durch Mihkel Kütson stießen die Organisatoren auf das Gemeinschaftstheater. Kütson ist Este und hat bereits mehrfach in Saaremaa dirigiert. Er kennt das besondere Flair des Festivals auf der mit fast 2700 Quadratkilometern größten Ostsee-Insel Estlands. Es gibt kein festes Theater: Alljährlich wird für das Spektakel in der Inselhauptstadt Kuressaare ein schwarzes Viereckzelt aufgebaut, das 2000 Besuchern Platz bietet. Das Zelt nennt sich "Schlossoper", denn es steht im Hof einer Bischofsburg aus dem 14. Jahrhundert. 12.000 Besucher sind im vergangenen Jahr gekommen, viele waren Touristen oder Stammpublikum vom Festland.

Das Ambiente hat seine eigenen Gesetze: "Die Bühne ist breiter, aber weniger tief als in unseren Häusern", sagt Wendholz. Deshalb werden in den kommenden Tagen alle Bühnenbilder, die mit nach Estland reisen, aufgebaut und neu vermessen, um auf die Schlossoper-Bedingungen zugeschnitten zu werden. Auch die Ausleuchtung wird schon hier festgelegt. Und dass vor Ort auch keine Ober- und Untermaschinerie wie zu Hause eingesetzt werden kann, ist noch einmal Anlass zum Tüfteln. Die Crew aus Estland hat sich hier "Peter Grimes" angesehen - und war überzeugt. Gern hätte sie die Britten-Oper auch beim Festival gesehen. Doch das sei technisch nicht machbar, sagt Grosse. Dass sich das Unternehmen lohnen wird, davon ist der Intendant überzeugt. "Es wird für uns ein wirtschaftlicher Gewinn herausspringen. Denn es gibt ein Honorar, dessen Höhe ich nicht nenne. Aber es wird uns helfen, den Etat trotz der gestiegenen Tariferhöhungen auszugleichen." Er hofft auch auf eine künstlerische Bestätigung: "Vor einem wildfremden Publikum allein durch Leistung zu bestehen, ist ein motivatorisches Highlight. Ich hege keine Zweifel, dass wir diese Qualität haben." Fachmagazine stellen bereits auf mehreren Seiten Krefeld, Mönchengladbach und das Theater vor. Die Neugier auf die Gäste aus Deutschland ist groß. Denen stehen allerdings auch einige Premieren in Saaremaa bevor: Bei der Gala treten Sänger und Orchester gemeinsam mit dem Nationalmännerchor Estland auf. Und für "Carmina Burana" ist der Kinderchor Saaremaa im Einsatz. Viel Zeit für gemeinsame Proben gibt es nicht. Alles muss minutiös vorbereitet sein.

(RP)
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