Mönchengladbach Textil-Technikum weckt Erinnerungen

Mönchengladbach · Seit einigen Monaten werden in der Maschinenhalle Führungen für Demenzkranke und Angehörige angeboten - mit großem Erfolg. Die optischen Eindrücke, Geräusche und Gerüche rufen tatsächlich Lebensgeschichten wach.

Im Textil-Technikum befindet sich eine international einzigartige Sammlung von rund 150 historischen und modernen Textilmaschinen, die die Besucher in Aktion erleben können.

Im Textil-Technikum befindet sich eine international einzigartige Sammlung von rund 150 historischen und modernen Textilmaschinen, die die Besucher in Aktion erleben können.

Foto: Baum

Was war in der Vergangenheit modern? Was trugen die Menschen bei der Arbeit, beim Tanzvergnügen oder beim Sonntagsspaziergang? Wie wurden Stoffe hergestellt? Womit gefärbt? Wie funktionierten die alten Textilmaschinen? Ein Ort, an dem Wissbegierige Antworten bekommen, ist das Textil-Technikum im Monforts Quartier an der Schwalmstraße. Es handelt sich nicht um ein Museum im klassischen Sinn, sondern eine international einzigartige Sammlung von rund 150 historischen und modernen Textilmaschinen, die die Besucher in Aktion erleben können. Dieser besondere Ort mit seinen für die rheinische Textilindustrie so typischen optischen Eindrücken, Geräuschen und Gerüchen bietet die ideale Plattform, um längst verschüttet geglaubte Erinnerungen auch bei an Demenz erkrankten Menschen zum Leben zu erwecken.

Projektleiterin Belinda Schmitt, Karlheinz Wiegmann, Leiter des Museums Schloss Rheydt, Sozialpädagogin Pia Hermann, und Textiltechniker Holger Hellwig stellten das Projekt vor.

Projektleiterin Belinda Schmitt, Karlheinz Wiegmann, Leiter des Museums Schloss Rheydt, Sozialpädagogin Pia Hermann, und Textiltechniker Holger Hellwig stellten das Projekt vor.

Foto: Andreas Baum

Das ist die Idee, die von der Sozial-Holding im vergangenen Jahr entwickelt wurde. Seit Oktober 2017 werden individuelle Gruppenführungen für Demenzkranke und Angehörige im Textil-Technikum angeboten - etwa zu den Schwerpunktthemen "Nähen und Stoffe", "Maschinen und Geräte" oder "Spinnrad, Spindel und Flachs". Betreut werden die Gäste von zwei Fachleuten der Sozial-Holding und von inzwischen 28 speziell geschulten ehrenamtlichen Erinnerungsbegleitern.

Möglich wird dies durch das Modellprojekt "Demenz Inklusive - Vernetzte Erinnerungskultur im Monforts Quartier", das die Sozial-Holding gemeinsam mit dem Textil-Technikum durchführt. Wissenschaftlich evaluiert wird das Projekt durch die Hochschule Niederrhein. Die Kosten von 170.000 Euro für das auf drei Jahre angelegte Projekt werden zu gleichen Teilen vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW und den Pflegekassen getragen.

Pia Hermann, gerontopsychiatrische Fachkraft und Expertin für Validation und Demenz, Holger Hellwig, staatlich geprüfter Textiltechniker und textilpädagogische Begleitung, sowie Projektleiterin Belinda Schmitt haben gemeinsam das Konzept für die Führungen entwickelt. Pia Hermann hat es schon erlebt, dass die Erinnerungen demente Menschen überwältigen können. "Wir hatten eine Frau hier, die früher an großen Webstühlen gearbeitet hat. Sie brach in Tränen aus", sagt sie. Manchmal sei es auch so, dass die dementen Menschen die Führung durch die Halle übernehmen. "Sie schauen sich um, und dann kann es sein, dass sie an einer Maschine stehen bleiben. Dann drehen wir einfach den Spieß um und folgen ihnen."

Einrichtungen und Angehörige von Demenzkranken können unter Tel. 02161 68664642 oder per Mail an demenzinklusive@sozial-holding.de einen Termin vereinbaren. Das Projektteam ist montags bis freitags von 8 bis 15 Uhr erreichbar. Im Vorgespräch können auch individuelle Fragen geklärt werden.

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