Mönchengladbach Studenten beerdigen die freie Bildung

Mönchengladbach · Grabrede statt Vorlesung: Eine Trauergemeinde aus 100 Studenten der Hochschule Niederrhein und Passanten demonstrierte am Donnerstag per Trauerzug für freie Bildung. Sie erhoffen sich eine kleine Chance auf Veränderung.

Studenten beerdigen die Bildung
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Hilmar Schulz ist blass. Stockend hält er die Grabrede, während der kalte Wind um die Ecke pfeift. "Wir werden immer an dich denken und in deinem Sinne weiter kämpfen”, sagt der Sprecher des Mönchengladbacher Studentenprotestes. Die Studenten der Hochschule Niederrhein tragen die Bildung zu Grabe.

Im schwarzen Sarg liegt er nun, der freie Geist der Bildung, darauf ein pechschwarzer Kranz. Vom Parkplatz der Dozenten an der Theodor-Heuss-Straße bis hin zur Mensa zieht der Trauerzug. Lautes Heulen und Wehklagen übertönt den Trauermarsch, der aus dem Ghetto-Blaster schallt.

Während der Zug die Webschulstraße entlang zieht, schließen sich einige Passanten an. Die Trauergemeinde wächst auf gut 100 Gäste an, in den hinteren Reihen beobachten vereinzelt Dozenten das Geschehen.

Passanten schließen sich an

Angeführt wird der Zug von Christine Rodenberg, Vertreterin des Asta. Ihre Augen hat Rodenberg mit einer großen Sonnenbrille verdeckt. Gemeinsam mit ihrer Kommilitonin trägt sie ein schwarz gerahmtes Bild, das die Konterfeis von Albert Schweitzer, Johann Wolfgang von Goethe, Marie Curie und Simone de Beauvoir zeigt. "Die vier symbolisieren mit ihren Disziplinen Wissenschaft und Literatur den freien Geist der Bildung”, erklärt Rodenberg.

An der Grabstätte, wo der Sarg hochkant gestellt wird, entzünden die Studenten Grablichter. Traueranzeigen werden verteilt. Flackernd lehnen sich die Kerzenflammen gegen den kalten Novemberwind. Weiße Rosen werden abgelegt. Stille legt sich über die Trauergemeinde. Eine Schweigeminute hält Hilmar Schulz in dieser schweren Stunde für angebracht.

"Mit dieser kreativen Protestaktion wollen wir klar machen, dass der Freigeist eines Studiums total verloren geht”, sagt Rodenberg. Mit dem Freigeist geht auch die Kultur langsam unter: Einige Studenten schließen sich rauchend, den Kaffeebecher in der Hand, dem Trauerzug an. Nach der Beerdigung werden in der Mensa Kondolenzbücher ausgelegt.

Studentensprecher Hilmar Schulz macht sich nach seiner Rede eilig auf den Weg, um einen neuen Freigeist für das Studium zu beschwören. Für den 26-Jährigen stehen Termine mit Andreas Pinkwart, NRW-Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie, sowie Hannelore Kraft, Vorsitzende der NRW-Franktion der SPD, im Terminkalender. Große Hoffnungen macht sich Schulz nicht, wenn er an die Gespräche denkt. "Vermutlich wird sich nichts ändern”, sagt er. "Aber der Hauch einer Chance besteht.”

(RP)
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